Mord Im Kloster
Roslin hörte ihren einstimmigen Gesang jetzt aus der Ferne. Die Kirche war von seiner Lagerstatt im Hospital nicht weit entfernt, aber sein Geist war noch kaum aufnahmefähig. Die Wunde, die der geschleuderte Stein an seinem Kopf zurückgelassen hatte, verwandelte noch jetzt sein Bewusstsein in einen einzigen, hell hinter seinen Augen auflodernden Feuerball.
Als er seinen ersten Gedanken denken konnte, dachte er sofort an Jenny Sandys. Wohin konnte Javierre sie verschleppt haben? Lebte sie überhaupt noch? Henri spürte seine Verzweiflung darüber, dass er ihr nicht helfen konnte.
Die Mönche waren mit Stöcken bewaffnet ausgeschwärmt und hatten Henri am Höhlenausgang gefunden. Neville hatte lange auf Henri gewartet und dann Alarm geschlagen. Es musste etwas passiert sein. Am frühen Abend fanden sie ihn. Als die Klosterbrüder Neville riefen, weil sie Angst hatten, den Verletzten zu bewegen, und als Neville Henri im Unterholz liegen sah, fürchtete auch er schon das Schlimmste.
Neville dachte sofort nur einen Gedanken: Der selbst ernannte Stapelherr aus Frankreich hat das angerichtet. Javierre de Bastard! Wo war er? Er tauchte mal hier und mal dort auf und verschwand wieder wie ein Phantom. Er hatte Henri einfach liegen gelassen, in seinem Blut schwimmend. Vielleicht hatte das Henris Leben gerettet, denn Javierre musste davon überzeugt gewesen sein, dass der Templer tot war.
Neville spürte einen Zorn in sich wie niemals zuvor. Wenn Javierre jetzt in der Nähe gewesen wäre, er hätte ihn erschlagen, wie er Robin erschlagen hatte – wie einen tollwütigen Hund. Einen anderen Ausklang ihres Lebens hatten beide nicht verdient. Aber der Normanne machte sich unsichtbar.
Neville durchsuchte den Tunnel. Er ließ sich von den Mönchen eine Pechfackel bringen und durchleuchtete den unterirdischen Gang. Schritt für Schritt tastete er sich voran, wie es Henri getan hatte. Der Tunnel war feucht, an manchen Stellen tropfte es von der Decke aus Tuffstein. In den aufgeschichteten Trockenmauern aus Sandsteinquadern sah er in Augenhöhe Öffnungen. Er stellte sich auf die Zehen, konnte jedoch nicht hineinsehen. Sie mochten zu weiteren Gängen führen, er konnte das jetzt nicht untersuchen.
Die Mönche zuckten die Schultern. Einige unter ihnen wussten aber, dass früher diese Gänge bis unter das Kloster geführt hatten. Von der Abtei aus hatte es einen geheimen Einstieg gegeben. Aber alles war schon vor mehreren Jahren in sich zusammengestürzt und seitdem vergessen worden. Erst als jetzt die Templer auftauchten und sich für die unterirdischen Gänge zu interessieren begannen, hatten sie sich daran erinnert.
Als Neville Henri im Krankenbau besuchte, erzählte er ihm davon. Henri schmerzte der Kopf auch ohne diese Neuigkeiten. Er wollte trotzdem das Krankenlager verlassen, aber Neville drückte ihn wieder in die Kissen.
Henri trug Neville auf, nach den Templern im Ort zu suchen. Wenn sie nicht im Kloster waren, mussten sie irgendwo anders abgestiegen sein. Aber niemand im Ort hatte sie wirklich zu Gesicht bekommen. Das bedeutete wohl, dass sie sich mit Absicht unsichtbar machten.
Oder war auch das nur eine neue Legende? Diese Zeit war so empfänglich für Gerüchte! Gab es diese Templer in Hertford tatsächlich? Und war wirklich William Wallace darunter?
Als Neville an seinem Lager saß, versank Henri in Trauer. Immer wenn er untätig sein musste, plagten ihn düstere Gedanken. Er war ein Mann der Tat. So war es immer gewesen.
»Du musst Jenny suchen, Neville! Um Gottes willen, finde sie! Ich könnte es nicht ertragen, wenn es uns nicht gelänge, sie aus Javierres Händen zu befreien.«
»Der Sheriff lässt sich nicht davon abbringen, nach ihr zu fahnden. Ich habe ihn beschworen, es so unauffällig wie möglich zu tun. Aber ich bezweifle sein großes Geschick in diesen Dingen.«
»Kontrolliere ihn, Neville. Gehe gleich zu ihm, und am besten ist es, wenn du nicht mehr von seiner Seite weichst. Dann kann er kein Unheil anrichten!«
»Das werde ich tun.«
»Neville, alle diese Dinge, die sich in letzter Zeit ereignen – ich kann sie nicht ohne Zusammenhang sehen. Javierre, Robin, der Brief des Abtes Thomas und seine Ermordung. St. Albans und jetzt Hertford – was ist hier im Gange? Was können wir tun? Gibt es eine Verschwörung in Frankreich gegen den Tempel? Ich muss Klarheit haben! Sag mir um des Himmels willen, ob du dir das vorstellen kannst!«
»Ich kann diese Frage natürlich nicht beantworten. Aber ich
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