Mord Im Kloster
London diente.«
»Was tut er überhaupt hier, wenn er Franzose ist, wie du sagst?«
»Er bereitet etwas vor, das im Dunkeln liegt. Vielleicht eine normannische Verschwörung. Henri de Roslin vermutet, er plane den Untergang des Tempels.«
»Es gibt viele Wege, Geheimnisse zu bewahren, und noch mehr, sie preiszugeben. Jedenfalls scheint dieser Javierre Kenntnis von Dingen zu haben, die ihm eigentlich verschlossen sein sollten.«
»Er weiß vieles. Aber er ist ein ekelhafter Mensch, getrieben allein von nacktem Gewinnstreben. Ein kalter Mensch, ohne jede Moral und Ehre. Er eignet sich alles an, um sich damit Vorteile zu verschaffen, nicht deswegen, weil es ihn nach Einsichten dürstet, er ist die Verkörperung all dessen, was ihr Gralssucher verabscheut.«
»Finden wir ihn!«, rief einer. »Vernichten wir diesen profanen Menschen, wie wir schon so viele vernichtet haben, damit die wahren Werte wieder Gültigkeit gewinnen!«
»Aber du, William. Warum du?«, fragte Neville.
»Ich? Nun, ist das nicht eindeutig? Ich bin auf der Flucht. Die ganze Erde ist ja inzwischen hinter mir her.« Seine Stimme bekam einen bitteren Klang. »Ich kann nur noch hier unten im Verborgenen leben.«
»Du hast deine Schlachten verloren?«
»Alle.«
»Dann bleibt dir tatsächlich nicht mehr viel.«
»Mir bleibt gar nichts mehr – außer dieser Gemeinschaft der Brüder, die ein lohnenswertes Ziel verfolgt.«
Neville bemerkte, wie William ein mutloses Aussehen bekommen hatte, seine Stimme fiel in sich zusammen. Neville ahnte, dass er den Schotten bei Laune halten musste, um seine Hilfe zu bekommen. Deshalb sagte er: »Ihr kennt Henri de Roslin?«
William nickte.
»Es wird ihn interessieren, zu hören, wie es in Schottland ausging.«
William hob erstaunt den Kopf. »Henri de Roslin aus Midlothian ist hier?«
»Im Kloster. Er ist verletzt.«
»Schwer verletzt?«
»Ich hoffe, er wird durchkommen.«
William versank in seine Grübeleien. Dann seufzte er und sagte, als sei er soeben aus einem Traum erwacht: »Schottland ist verloren. Unser Königreich war für England immer begehrenswert, und weil wir selbständig werden wollten, schafften wir Unruhe. Wir erkannten nicht mehr die englische Lehnshoheit an, jedenfalls nicht für das ganze Land, nur für Grenzprovinzen. Wir wehrten uns! Das war zu viel für euren König Edward, er fiel über uns her.«
»Aber versuchte Edward nicht zunächst eine friedliche Lösung?«
»Du meinst das Heiratsprojekt zwischen seinem Thronfolger und Prinzessin Margarethe?«
»War das nicht klug und friedfertig gedacht? Die Thronerbin und Enkelin des verstorbenen Königs Alexander hätte doch dem englischen Königtum die Aussicht eröffnet, ganz ohne Krieg das nördliche Nachbarreich mitzuregieren.«
»Gewiss. Aber Margarethe starb plötzlich, viele Bewerber meldeten ihre Thronansprüche an, und Edward als Lehnsherr und Overlord wollte den Streit entscheiden. Er wollte unser Königreich als an die englische Krone heimgefallenes Lehen betrachten. Das konnten wir nicht dulden. Es gab Krieg. Edward fiel in Schottland ein, besetzte das Land und ließ sich als König bestätigen. Der heilige Königsstein von Scone, auf dem alle alten schottischen Könige gekrönt worden waren, ließ er nach Westminster Abbey bringen! Aber es heißt, er sei dort geraubt worden. Wir vermuten, er befindet sich inzwischen hier.«
»In diesem Labyrinth?«
»Wie vieles andere auch.«
»Der legendäre Stein. Ich würde ihn gern sehen.«
»Vielleicht sehen wir ihn alle bald. – Aber jetzt solltest du uns allein lassen. Wir haben, wie du dir vorstellen kannst, zu tun. Du kannst zurückkehren in deine Welt, wenn du schwörst, nichts zu verraten. Denn du bist ein Templer und an Eide gebunden.«
Neville sagte verzweifelt: »Aber Ihr wolltet mir doch helfen, Jenny Sandys zu finden.«
»Wir haben nichts versprochen. Geh jetzt!«
Neville blieb hartnäckig. »Erzähl mir noch von Schottland, William. Etwas Hoffnungsvolles! Damit ich Henri davon berichten kann.«
William blickte ihn an. »Schottland! Schottland! Es ist versunken. Niemand bringt es mir zurück.«
»Wenn du davon erzählst, ersteht es neu, William!«
»Das ist wahr. Nun – wir haben die Engländer ein einziges Mal vernichtend geschlagen! Das war vor drei Jahren, in der Schlacht von Stirling Bridge. Das gesamte englische Aufgebot war mit einem Schlag erledigt. Ich war der Anführer der Aufstandsbewegung. Es war eine großartige Zeit, fast drei Jahre der
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