Mord Im Kloster
Ausschank an Mönche zu den Abgaben des Zehnten gehöre.
»Zeigt mir diese Gänge«, bat Neville. »Es kommt mir wie unsere letzte Chance vor, Jenny Sandys irgendwo lebend zu finden.«
Der Abt stellte mehrere Laienbrüder ab, die Neville behilflich sein sollten, die Abdeckungen aus Stein und Schutt vor den Tunneln zu beseitigen. Plötzlich schien es Neville, als sei das Labyrinth nicht ganz so vergessen gewesen, wie behauptet wurde. Jeder im Kloster schien die Eingänge genau zu kennen.
Einer der Konversen sagte plötzlich: »Mit diesem Labyrinth scheint es ein Geheimnis zu haben.«
Neville wurde hellhörig: »Erzählt mir davon.«
Der Konverse kratzte sich die Wange und verzog den Mund. »Es ist nicht nur ein Wirrwarr von Gängen. Sondern es stellt jedem, der sich darin bewegt, eine Frage.«
Ungeduldig sagte Neville: »Welche Frage ist es?«
»Hast du einmal die schwierige und komplizierte Reise zum Zentrum des Labyrinths unternommen?«
»Interessant«, gab Neville zu. »Ich habe von solchen Überlegungen in meiner Ausbildungszeit gehört. Aber warst du denn schon unten?«
»Nein. Aber man sagt so.«
Sie waren weitergegangen. Dann stand Neville vor einem Brunnen, den ihm ein alter Konverse zeigte. Eine in die Seitenwand hineingehauene Treppe führte hinunter.
Dies sei der wahre Einstieg, sagte der Konverse. Man müsse Fackeln mitnehmen. Und viele Männer. Denn er habe gehört, dort unten wohnten Ungeheuer. Nachts höre er manchmal Geräusche. Ein Fauchen, ein Stöhnen, Stimmen, die nicht von Menschen kämen. Es sei unheimlich.
»Und wohin führt der Gang?«, wollte Neville nüchtern wissen.
»Es gibt mehrere Ausgänge. Ihr werdet sie finden, wenn Ihr sie wirklich finden wollt.«
»Können dort unten Menschen leben?«
»Natürlich. Jahrelang. Wenn sie sich nachts heimlich mit Nahrung versorgen. Frisches Wasser gibt es genug, es läuft aus Quellen die Wände herab.«
Neville kam ein Gedanke. »Gab es denn in letzter Zeit im Kloster Diebstähle von Nahrungsmitteln, die gemeldet wurden?«
»Beinahe jede Woche!«, erwiderte der alte Konverse. »Wir haben ja seit längerer Zeit die Wachen in den Speichern und Vorratskammern verstärkt. Selbst aus dem Eiskeller ist Wildbret verschwunden. Alles blieb unaufgeklärt.«
Neville musste tief durchatmen. Das konnte eine echte Spur sein. Jetzt kam ihm der Hinweis auf die labyrinthische Welt dort unten nicht mehr ganz so absurd vor. Man muss die Menschen nur fragen, dachte er, dann kommt alles an den Tag.
Neville bat den Abt um ein Dutzend Männer. Mit ihnen konnte er den Abstieg wagen. Er suchte sich kräftige und furchtlose Laien aus, die aber unbewaffnet blieben. Neville gürtete sein Schwert, steckte noch zwei Dolche in den Gürtel, schickte ein Stoßgebet zum Himmel – und machte sich an den Abstieg.
11
Hertford 1300, in der Unterwelt
Im Abendland mehrten sich die Gerüchte und Zeichen, dass der Tempelorden im Besitz unvorstellbarer Wahrheiten war. Und das rief Mächte auf den Plan, die es ihm neideten und damit ein Ende machen wollten.
Auch eine neue Generation von armen Brüdern Christi wollte nun das Rätsel lösen. Sie wollten das Vergessen beenden und machten sich auf den Weg, die Geheimnisse zu lüften. Sie hatten schon viele Orte durchstreift, deren Legende eindeutig war. Dort fanden sie eine Unterwelt, die von zehntausend fleißigen Arbeitern in Jahrzehnten gegraben worden war. Es war eine zweite Welt, durchzogen von einem gigantischen Höhlensystem, in dem alles Platz hatte, was in Krisen und Kriegen gebraucht wurde. Hier lagerten die Schätze. Und die Zugänge kannten nur wenige Ordensbrüder des Tempels.
Sie hatten den Schlüssel dafür. Jetzt waren sie nach Hertford gekommen. Sie trafen sich am verabredeten Ort zur verabredeten Zeit. Es geschah in aller Heimlichkeit und nach den Hinweisen, die sie den alten Schriften entnommen hatten. Niemand außer einer Handvoll Eingeweihter im Kloster durfte von ihrer Anwesenheit wissen, bis sie selbst das Zeichen dazu gaben.
Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen. Aus dem walisischen Llangollan, aus Sutton Hoo, aus Carrawborough in Northumberland, aus Snowdonia und Cambridge. Sie wollten dieses letzte Labyrinth des Abendlandes erkunden. Den letzten, unerforschten Teil einer untergegangenen Welt.
Hier konnte alles liegen: Wissen, Reichtum, ewiges Leben.
Die Tempelbrüder hatten sich einen Anführer gesucht, der nicht zu ihnen gehörte. William Wallace war es gewohnt, Schlachten zu
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