Mord Im Kloster
direkt aus den Mauern. Er schüttelte sich vor Entsetzen. Javierre hatte sie eingeschlossen und einem elenden Tod preisgegeben.
Henri war klar, dass er schnell handeln musste, wollte er Jenny lebend wieder sehen.
Er lauschte an den Wänden. Dann glaubte er, die richtige Stelle gefunden zu haben. Er rief noch einmal ihren Namen. Jetzt antwortete sie ganz deutlich.
»Helft mir! Um Gottes willen!«
Henri blickte sich um. War Javierre in der Nähe? Er lauschte. Nichts Verdächtiges. Dann begann er entschlossen zu arbeiten. Er kratzte mit bloßen Händen Sand zwischen den Felsbrocken heraus. Dann ließen sich seine Finger hindurch stecken, er konnte die Brocken lösen. Fieberhaft riss Henri einen Stein nach dem anderen herunter. Die Öffnung wurde immer größer.
»Jenny?«
»Ja. Ich bin hier.«
»Nur noch einen Augenblick!«
Als Henri den letzten Stein der Mauer abgetragen hatte, führte der Teufel den ersten Streich.
Javierre sprang aus dem Dunkel heran. Er hielt einen faustgroßen Stein in der Hand.
Henri stand gebückt vor ihm, er kehrte dem Angreifer den Rücken zu, war also wehrlos. Jetzt richtete er sich auf. Er begriff, dass jemand hinter ihm war.
Aber es war zu spät.
Javierre schlug mit dem Stein zu. Immer und immer wieder. Henri fühlte, wie die Schwärze in ihn zurückkehrte. Er taumelte. Aus der Höhle hörte er das entsetzte Wimmern Jennys. Er drehte sich um, konnte den Angreifer aber nicht fassen. War es Javierre? Er sah nur Dunkelheit, darin verschmolz der Bösewicht. Henri fühlte, dass er den Kampf gegen das Dunkle nicht gewinnen konnte.
Er wollte sich schon in das Unabwendbare fügen. Er wollte sich eingestehen, dass dieses Labyrinth mächtiger als er war. Er hatte das Geheimnis nicht ergründet. Er war nicht mit dem richtigen Wissen in das Zentrum eingetreten. Er begriff, dass dieses Labyrinth nicht mit seinen Rätseln verwirren wollte. Es wollte töten.
Er würde untergehen.
In diesen fatalistischen Gedanken hinein, der dem Kämpfer Henri de Roslin selbst fremd schien, drang Jennys Stimme an sein Ohr.
»Es ist nur Javierre! Es ist nicht der Teufel in Menschengestalt! Es ist nicht die Finsternis! Habt keine Angst vor ihm!«
Henri schrie. Mit seinem Schrei wollte er sich selbst aus dem Bann erlösen. Er blickte wild um sich. Javierre war verschwunden. Henri nahm den Höhleneingang gegenüber wahr. Verbarg sich der Unselige dort? Die Antwort erhielt er sofort. Javierre griff wieder an.
Diesmal konnte Henri zur Seite springen. Er sah, dass der Angreifer an ihm vorbeitaumelte. Henri sprang hinterher. Er schlug ihm mit aller Kraft in die Seite.
Javierre taumelte und fiel. Aber sofort federte er wieder auf die Beine. Er trat nach Henri. Und er hatte noch immer den Stein in der Hand. Wieder schlug er damit nach Henris Kopf. Und traf ihn mitten auf die Stirn.
Henri fühlte das Blut, das ihm über die Augen lief, als streichle ihn ein Engel. Der Schutzengel! Er fuhr ihm mit einem sanften Finger über die Augen, aber nicht, um sie zu schließen. Um sie zu öffnen.
Henri riss die Augen auf. Er konnte wieder sehen! Er erblickte Javierre am Höhleneingang. Wortlos und stumm, mit dem einzigen Gedanken der Vergeltung sprang Henri auf Javierre zu. Der Franzose konnte den ersten Angriff abwehren. Henri versuchte es ein zweites Mal. Wieder wich der andere aus, er war glatt wie Seife, unwirklich in seiner Geschmeidigkeit. Henri duckte sich, nahm sich zusammen. Und griff an.
Neville verstand nicht, warum die Templer zurückblieben. Er hörte sie sprechen. Hatten sie endlich gefunden, wonach sie suchten? Dann würde er allein bleiben.
Er hörte eine laute Stimme. War es die von William Wallace?
»Der Stein! Es ist der Stein!«
Sie haben ihren Heiligen Gral gefunden, dachte Neville. Damit ist ihre Reise zu Ende gegangen, ihr gerader Weg. Jenny zu finden, das interessiert sie nicht mehr.
Neville ging allein weiter. Er hoffte noch immer, sein Instinkt könnte ihm verraten, wo sich Jenny befand. Auch Neville war sich klar darüber, dass dieses Labyrinth ihn nur dann zu etwas führen würde, wenn er reif dafür war, es zu finden. Wenn keiner die Geheimnisse des Labyrinthes erkennt, dachte er, so kann auch keiner den unerforschlichen Ratschluss des Herrn ergründen. War er dazu in der Lage?
Neville wollte mit einem Seufzer allein weitergehen. Plötzlich sah er, dass die Templer hinter ihm anrückten. Sie hatten die Suche also doch noch nicht aufgegeben! Neville verspürte Erleichterung
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