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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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nicht die Ränder des Labyrinthes. Es ist das Zentrum. Jenny ist ganz in der Nähe.
    Und dann kam ihm ein furchtbarer Gedanke. War Jenny nicht das Opfer, das die Erde forderte? Sollten sie die junge Frau nicht als Preis hier unten lassen, damit alles wieder in Harmonie kam? Sollte sie nicht hier sterben, damit alles andere weiterleben konnte? Denn hatte sie nicht furchtbare Schuld auf sich geladen? Ebenso wie ihr Mann John?
    Neville spürte, wie seine Gedanken ihm davonliefen. Niemals zuvor hatte er so gedacht. Das musste daran liegen, dass die Luft hier unter immer stickiger wurde und das Atmen schwerer und schwerer fiel. War das Labyrinth nicht auch der Weg der Unwissenheit – mit dem Schrecken als Zentrum? Musste der Schrecken dann nicht erhalten bleiben, als notwendiger Preis von allem anderen?
    Wenn ich wirklich so denke, dann bin ich verloren.
     
     
    Ganz deutlich hörte er ein Weinen. Henri hielt den Atem an. Ein leises Greinen, dumpf, wie unter Erde und Stein begraben. Henri fühlte, wie etwas Kaltes seinen Rücken hinunterrann. Ein Gedanke hatte ihn überfallen. War das der Schlüssel zu allem?
    Dieses Labyrinth, dachte Henri, war es in der christlichen Symbolik nicht auch gedacht als Falle für den Teufel? Wenn das stimmte, dann würde er dem gefangenen Teufel jetzt begegnen. Es war unausweichlich. Er musste nicht weitersuchen. Denn der Teufel war nicht in der Welt, um sich zu verstecken. Er wollte sich zeigen und den Kampf führen. Das Unheil der Welt zeigen und es zu Ende bringen.
    Wie konnte Henri dann bestehen?
    Er flüsterte: »Jenny?« Dann begriff er, dass er sich so nicht verständlich machen konnte.
    »Jenny Sandys!«
    Das Geräusch verstummte. Dadurch konnte Henri erkennen, aus welcher Richtung es gekommen war. Er wendete sich nach links. Dort zweigte ein Gang ab. Dann noch einer. Schließlich war der Gang zu Ende.
    Henri konnte nicht weiter. Und er wusste nicht weiter. Ihm fiel ein, dass John Sandys, der Baumeister, ihm einmal gesagt hatte, er habe selbst ein Labyrinth als Mosaik in eine Kathedrale hineingelegt. Denn die Bauhütten schrieben den Baumeistern vor, Labyrinthe als Abbild des langen und gewundenen Weges der Seele des Christenmenschen auf ihr Zentrum hin, auf Gott, den Herrn, anzulegen.
    Er, John Sandys, hatte es angelegt. Aber anders als gefordert, nämlich als notwendige Irrwege eines Übeltäters, der allen Versuchungen schließlich nachgibt.
    Das ist der Weg vom Haus des Pilatus nach Golgatha gewesen, dachte Henri, der Weg von Jerusalem, von der Hoffnung auf Gerechtigkeit zur bitteren, tödlichen Pein. Der Verlust aller Menschlichkeit.
    In diese Grübeleien hinein vernahm er plötzlich ganz deutlich, so als stände Jenny Sandys neben ihm, ihre Stimme. Sie jammerte, sie flehte. Da war wieder dieses Weinen als lang gezogener Ton. Henri blickte sich um. Wo konnte Jenny bloß sein?
    Er rief laut ihren Namen. Und als Antwort ertönte ein Lachen.
    Es war das Lachen des Teufels, der sich in der Falle des Labyrinthes verfangen hatte. Jetzt zeigte er sich, um den Kampf aufzunehmen.

 
    12
     
     
     
    Hertford 1300, das Licht
     
    Javierre de Bastard lachte sehr laut, denn er hatte in diesem Augenblick erkannt, dass er in der Falle saß. Seine Bemühungen waren vergeblich gewesen. Dieser verfluchte Robin hatte ihn nicht in alle Geheimnisse dieses Labyrinthes eingeweiht. Es gab eine undichte Stelle. Durch diese schlich sich nun jemand ein.
    Er hatte die Rufe gehört. Und dahinter nahm er wahr, wie Schritte umherliefen, in diesem Labyrinth war alles zu hören, das man verstecken wollte. Auch das hatte ihm Robin nicht gesagt, vielleicht, weil er es selbst nicht wusste.
    Javierre wollte nur eines nicht – dass Henri de Roslin den Sieg davontrug. Er wollte keinen offenen Kampf gegen ihn. Er wollte den Kampf, den der Teufel austrägt – aus dem Hinterhalt.
    Javierre trat zurück, dorthin, wo sich eine Höhle öffnete, die mehrere Nischen aufwies. Sie lag Jennys Versteck unmittelbar gegenüber.
    Er hörte den geflüsterten Vornamen der Gefangenen, dann das Rufen. Und er hörte die erstickte Stimme Jennys in ihrem zugemauerten Gefängnis. Javierre verhielt sich ruhig. Er wusste genau, wann er einzugreifen hatte. Henri de Roslin, den er sofort erkannt hatte, würde die Steine von der Höhlenöffnung herunterkratzen. Er würde in seiner kleinlichen Gier, Javierres Plan zu durchkreuzen, unaufmerksam sein. Dann kam die Gelegenheit, die er nutzen wollte.
    Henri begriff langsam. Jennys Stimme kam

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