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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Henri ließ nicht locker. In ihm war es ganz ruhig. Und ganz kalt. Er wusste, er tötete.
    Er drehte die Hand, die er führte, noch einmal herum. Dann riss er sie zu sich heran. Das Messer fuhr mit einem glucksenden Laut aus dem Bauch des Franzosen.
    Javierre stand einen Moment da, als überlege er.
    Henri dachte: Er begreift jetzt, dass dieses Labyrinth größer war als er. Dass es Dinge gibt, die größer sind als nacktes Gewinnstreben.
    Javierre gab einen unartikulierten Laut von sich, auf seine Lippen traten Blutblasen. Dann fiel er zu Boden und starb.
    Henri wartete nicht, bis Neville und die anderen Templer bei ihm waren. Er rannte in den Tunnel zurück.
    Als er bei Jenny Sandys ankam, spürte er noch einmal die Magie dieses Ortes. Tod und Wiedergeburt, dachte er. Die geheimnisvolle Reise. Aber ich habe den Knoten des Rätsels durchschlagen. Das Labyrinth von Hertford ist da, um feindliche Eindringlinge und böse Mächte zu verwirren und zu strafen. Welch ein Glück, dass ich auf der richtigen Seite bin!
    Er spürte, dass hier, an diesem Ort des Todes, mitten im Zentrum, wo Jenny Sandys lag, Tod und Wiedergeburt zugleich standen. Das Hineingehen und das Hinausgehen. Das Sinken und Steigen. Der Abstieg in die Tiefe und das Aufsteigen zu den Höhen.
    Er nahm den schlaffen, noch warmen Körper Jennys auf und blickte in ihr Gesicht. Er nahm ihre Umrisse in der Dunkelheit wahr. Jenny war tot. Aber sie war noch immer wunderschön. Er legte seine Stirn an ihre Stirn. Als Siegerin über alle Untaten, alle Gewalt, alle Verirrungen und Gewissensbisse stieg ihre Schönheit auf zum göttlichen Licht.

 
    13
     
     
     
    Frühsommer 1316, auf See
     
    »Was ist eigentlich nach diesen schlimmen Tagen aus dem Tempel in London geworden?«, fragte Uthman ibn Umar. »Ich war niemals dort.«
    Henri schaute, noch im Banne seiner Erinnerungen, über den weiten Spiegel des Meeres. Weit draußen röteten sich die Wellen wie Wein im Pokal. Die Sonne tauchte unter. Und seine Seele hatte Mühe, sich zu halten. Er musste die Gestalten der Vergangenheit erst abschütteln.
    Im letzten, leuchtenden Schimmern des Lichtes sagte er schließlich: »Der gesamte Tempelbezirk ist nach der Auflösung unseres Ordens vom englischen Schatzamt verkauft worden. Jeder nahm sich seinen Teil. Es hat kein Jahr gedauert.«
    »Dann haben doch die Geldgierigen die Oberhand behalten, denen Gewinn über alles geht.«
    »Zum Glück nicht ganz«, sagte Henri. »Die englischen Juristen haben sich im Tempelbezirk ihre Inns of Court errichtet. Rings um unsere alten Ordensgebäude herum, um die Aufenthaltsräume, Bibliotheken, Speisesäle und Wohnstätten, sind die Advokaten und Anwälte eingezogen, um Recht zu sprechen.«
    »Ein solches weltliches Klientel? Kaum vorstellbar – aber so ist die neue Zeit.«
    Henri seufzte. »Es ist schon schmerzlich, dass sich in unserem alten Fuchsbau, wo Höfe, Gärten, Durchgänge und schöne Gebäude standen, wo sich unsere Wohnräume und Studierzimmer, die verträumten Chambers an steile, gewundene Treppenaufgänge schmiegten und wir zu Hause waren, heute der Juristenstand seine Akten stapelt. Nur die Kapelle ist noch nicht zweckentfremdet.«
    »So ist der Lauf der Welt«, sagte Joshua ben Shimon. »Nichts wird bewahrt. Alles ist hinfällig.«
    »Aber muss es so gehen?« Henri blickte skeptisch. »Immerhin wird in Holborn auch weiter ausgebildet, Studenten leben dort und müssen in der Hall, dort, wo früher unser Refektorium war, gemeinschaftlich mit den anderen essen, wenn sie ihr Examen ablegen wollen. Ein Rest unserer strengen klösterlichen Ordnung.«
    »Die Tempelkirche wurde wieder aufgebaut, nicht wahr?«
    »Zum Glück war der Schaden nicht so groß. Auch von den schwer verletzten Tempelbrüdern starb niemand. Welche Rolle übrigens Bischof Savior in dem ganzen Drama spielte, weiß ich bis heute nicht. Er trat jedenfalls zurück.«
    »Aber die Warnungen, die der Abt von St. Albans dir zukommen ließ, sie hatten schon damals einen ernsten Hintergrund.«
    »Ja. Ich habe lange daran gezweifelt. Ich habe die Gefahren nicht gleich erkannt. Ich dachte, Javierre de Bastard allein verkörpere die Gefahr, die uns droht – mit seiner unersättlichen Gier nach Geld und Macht. Er vertrat ja Bewegungen in Frankreich und auch in England, die sehr mächtig wurden, neue Kräfte, die das alte Gefüge vollständig umkrempeln wollten. Ich hätte hellhöriger sein und die drohenden Hintertöne wahrnehmen müssen.«
    »Du hättest die

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