Mord Im Kloster
bestand.
Plötzlich wurde Henri abgelenkt. Ein Schatten hatte sich erhoben, er zeichnete sich gegen die einfallende Helligkeit am Ende des Ganges ab. Jenny! Sie war eigenständig auf die Beine gekommen. Sie taumelte. Jetzt versuchte sie, panisch zu fliehen.
Javierre nutzte Henris Schwäche bei diesem Anblick für einen Moment aus. Er drehte sich zur Seite, rollte wie eine Winde, die sich von Seilen befreien will, davon. Henri konnte ihn nicht mehr fassen.
Javierre war aufgesprungen und lief hinter Jenny Sandys her. Henri sah, wie Jenny hinfiel. Der Franzose war bei ihr, riss sie empor. Wieder lachte er gemein. Henri ahnte, was er vorhatte.
Javierre brüllte: »Wenn du näher kommst, Henri, töte ich sie. Bei Gott, ich schneide ihr die Kehle durch!«
Henri blieb keuchend stehen. Er spürte immer noch Blut von seiner Stirn herablaufen. Und er spürte den kalten Schweiß auf seinem Rücken.
»Javierre«, sagte Henri betont gefasst. »Lass die Frau aus dem Spiel. Es ist ein Kampf zwischen dir und mir. Lass sie gehen, sie ist unschuldig.«
»Unschuldig! Sie hat alles vermasselt! Sie ist mir in die Quere gekommen! Unschuldig, hahaha!«
»Sag mir eins, Javierre! Willst du nur die Reichtümer Englands? Oder ist es wahr, was der Abt von St. Albans zu wissen behauptete, dass du im Auftrag des Königs von Frankreich hier bist, um eine Verschwörung gegen den Tempelorden zu führen?«
Javierre lachte. »Was denkst du, Henri?«
»Ich will es von dir hören!«
»Komm nicht näher! Ich durchschaue deine Absicht. Du willst mich nur ablenken.«
»Nein, Javierre. Sag mir die Wahrheit. Ich muss die Wahrheit wissen!«
»Es ist egal, Henri. Der Tempel ist dem Untergang geweiht, das weißt du genauso wie ich. Ihr habt eure Aufgabe verloren! Wozu seid ihr noch auf der Welt? Das heilige Land ist verloren, eure Waffen taugen nichts mehr. Heutzutage zählt nur eins: Macht und Reichtum! Verbündet euch mit den neuen Kräften, die kaufen, verkaufen und Geld aufhäufen. Dann könnt ihr die Welt erobern. Nur mit Reichtum sind die wirklichen Siege zu feiern.«
Jenny sank plötzlich zu Boden, ihr Kopf schlug auf den Steinen auf. Javierre riss sie fluchend wieder empor. Er konnte sie nicht halten. Henri begriff, wie gefährlich die Lage für Jenny war, der Franzose hatte die Kraft nicht mehr, sie mitzuschleppen.
Henri sah seine Chance. Er rief: »Javierre! Liefere mir Jenny aus, dann lasse ich dich ziehen! Hörst du? Du hast freies Geleit. Kehre in die Normandie zurück, ich werde dich dorthin nicht verfolgen!«
Da hörte Henri einen Laut, der ihm das Entsetzen in den Kopf trieb. Ein Schneiden, ein weiches Geräusch, als fahre Stahl durch Wasser. Jenny sank wie gefällt zu Boden. Javierre hatte ihr tatsächlich die Kehle durchgeschnitten.
Javierre drehte sich um und rannte, so schnell er konnte, auf den Eingang des Labyrinthes zu.
Henri schüttelte sein Entsetzen ab. Er folgte dem Franzosen. Er musste über die tote Jenny hinwegspringen. Der Abstand blieb zunächst gleich, dann verringerte er sich. Noch bevor Javierre den Ausgang erreichte, konnte Henri seinen fliegenden Atem hören.
Noch wenige Fuß, dann konnte er nach ihm greifen. Henri rutschte aus und fiel hin. Der felsige Untergrund schlug ihm blutende Wunden. Er rappelte sich wieder auf. Jetzt wollte er nicht mehr aufgeben. Er kam dem Fliehenden wieder näher.
Javierre erreichte in diesem Moment den Ausgang. Er wendete sich triumphierend um und reckte Henri die blutigen Messer entgegen. Als er sah, wie nahe Henri schon war, machte er wieder kehrt und wollte weiterlaufen.
Henri sah, wie der Franzose plötzlich stehen blieb. Wie der Teufel, der in die Falle gegangen ist, dachte Henri, aber er kann keinen Ausweg finden. Henri nahm wahr, dass einige Gestalten am Waldrand vor der Höhle aufgetaucht waren. Er sah Neville de Gwyn.
Neville!
Dann war Henri schon bei Javierre. Er packte ihn. Er drehte ihm die Messer aus der Hand. Mit stahlhartem Griff zwang er ihn, die Messer fallen zu lassen. Javierre trat um sich, er traf Henri schmerzhaft im Unterleib. Henri biss die Zähne zusammen, konnte aber nicht verhindern, dass Javierre sich bückte und ein Messer vom Boden aufhob.
Er führte einen Stoß gegen Henri. Der Templer wich nicht aus. Er wartete einen Moment, dann griff er nach der angreifenden Hand. Er packte sie, kurz bevor das Messer seinen Leib erreichte. Er drehte die Hand herum. Jetzt fuhr das Messer, noch im gleichen Schwung der Bewegung, in den Bauch des Franzosen.
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