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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Erinnerns noch mit diesem jungen Amerikaner unterhalten, dem Sekretär des Toten.»
    «Aha. Waren Sie in seinem Abteil oder er in Ihrem?»
    «Ich war in seinem.»
    «Es handelt sich um den jungen Mann namens MacQueen?»
    «Ja.»
    «Ist er ein Freund oder Bekannter von Ihnen?»
    «Nein. Ich bin ihm vor dieser Reise nie begegnet. Wir kamen gestern zwanglos ins Gespräch und fanden es beide interessant. Normalerweise mag ich die Amerikaner ja nicht – kann nichts mit ihnen anfangen.»
    Poirot musste an MacQueens Vorbehalte gegen «die Briten» denken und lächelte.
    «Aber dieser junge Mann gefiel mir. Er hatte natürlich so ein paar alberne Vorstellungen von der Lage in Indien; das ist das Ärgerlichste bei den Amerikanern – sie sind so gefühlsduselig und idealistisch gesinnt. Aber was ich ihm zu sagen hatte, hat ihn jedenfalls interessiert. Ich kenne dieses Land schon fast dreißig Jahre. Und ich fand es meinerseits interessant, was er mir über die finanzielle Situation in Amerika zu sagen hatte. Dann kamen wir auf die Weltpolitik im Allgemeinen zu sprechen. Ich war ziemlich überrascht, als ich einmal auf die Uhr sah und feststellte, dass es schon Viertel vor zwei war.»
    «Zu diesem Zeitpunkt haben Sie das Gespräch dann beendet?»
    «Ja.»
    «Was haben Sie anschließend gemacht?»
    «Bin in mein Abteil gegangen und habe mich zu Bett gelegt.»
    «Ihr Bett war schon hergerichtet?»
    «Ja.»
    «Das ist – mal sehen – Abteil Nummer fünfzehn – das vorletzte in diesem Wagen, vom Speisewagen aus gesehen?»
    «Ja.»
    «Wo war der Schaffner gerade, als Sie in Ihr Abteil gingen?»
    «Er saß an einem Tischchen am hinteren Ende des Wagens. MacQueen hat ihn sogar noch zu sich gerufen, als ich in mein Abteil ging.»
    «Warum hat er ihn gerufen?»
    «Damit er ihm sein Bett macht, nehme ich an. Sein Abteil war noch nicht für die Nacht hergerichtet.»
    «Nun bitte ich Sie, Colonel Arbuthnot, einmal sehr genau nachzudenken. Ist in der Zeit, während Sie sich mit Mr. MacQueen unterhielten, jemand draußen auf dem Korridor vorbeigegangen?»
    «So etliche Leute, würde ich mal sagen. Ich habe nicht darauf geachtet.»
    «Hm, ja, aber ich spreche von – sagen wir – den letzten anderthalb Stunden Ihrer Unterhaltung. Sie sind in Vincovci aus dem Zug gestiegen, ja?»
    «Ja, aber nur ganz kurz. Draußen war ein Schneesturm im Gange. Eine fürchterliche Kälte. Da war man richtig dankbar, wieder in den Mief zu kommen, obwohl ich es eigentlich skandalös finde, wie diese Züge überheizt sind.»
    Monsieur Bouc seufzte.
    «Es ist nicht leicht, es allen recht zu machen», sagte er. «Die Engländer, sie reißen immer alles auf – dann kommen andere daher und machen alles wieder zu. Es ist gar nicht leicht.»
    Weder Poirot noch Colonel Arbuthnot schenkten ihm Beachtung.
    «Nun denken Sie bitte einmal zurück, Sir», sagte Poirot aufmunternd. «Draußen ist es kalt. Sie steigen wieder ein. Sie nehmen Platz, Sie rauchen – vielleicht eine Zigarette, vielleicht eine Pfeife –»
    Er machte eine fragende Pause.
    «Ich Pfeife, MacQueen Zigaretten.»
    «Der Zug fährt wieder an. Sie rauchen Ihre Pfeife. Sie diskutieren über den Stand der Dinge in Europa – in der Welt. Es ist inzwischen spät. Die meisten Reisenden haben sich zur Ruhe begeben. Kommt da noch jemand an Ihrer Tür vorbei? Denken Sie bitte nach.»
    Arbuthnot dachte sichtlich angestrengt nach.
    «Schwer zu sagen», antwortete er schließlich. «Ich habe ja nicht darauf geachtet.»
    «Aber Sie haben doch den soldatischen Blick fürs Detail. Sie bemerken etwas, gewissermaßen ohne es zu merken.»
    Der Oberst dachte wieder nach, schüttelte aber den Kopf.
    «Kann ich nicht sagen. Ich wüsste nicht, dass außer dem Schaffner da noch jemand vorbeigekommen wäre. Halt – ich glaube, da kam einmal eine Frau…»
    «Haben Sie die Frau gesehen? War sie alt – jung?»
    «Gesehen habe ich sie nicht. Hab nicht hingeschaut. War nur so ein Rascheln – und eine Duftwolke.»
    «Duftwolke? Ein guter Duft?»
    «Hm – etwas fruchtig, wenn Sie verstehen, was ich meine. So einer, den man hundert Meter gegen den Wind riecht. Aber wohlgemerkt», fuhr der Oberst eilig fort, «das kann auch schon früher am Abend gewesen sein. Denn wie Sie selbst vorhin sagten, gehört das zu diesen Dingen, die man gewissermaßen bemerkt, ohne es zu merken. Irgendwann im Lauf des Abends habe ich bei mir gedacht: ‹Frau – Parfüm – ein bisschen dick aufgetragen.› Aber wann das war, kann ich nicht mit

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