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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Bestimmtheit sagen, außer dass es – aber ja, es muss nach Vincovci gewesen sein.»
    «Warum?»
    «Weil ich mich erinnere, dass mir dieser – na ja – Duft in die Nase stieg, als ich gerade davon sprach, zu was für einem totalen Fiasko sich Stalins Fünfjahresplan entwickelte. Ich weiß noch, dass mir bei dem Gedanken ‹Frau› die Lage der Frauen in Russland einfiel. Und ich weiß auch noch, dass wir auf Russland erst ziemlich gegen Ende unserer Unterhaltung zu sprechen kamen.»
    «Sie können sich nicht noch genauer festlegen?»
    «N-nein. Es muss ungefähr in der letzten halben Stunde gewesen sein.»
    «Als der Zug schon stand?»
    Der andere nickte.
    «Ja, da bin ich mir fast sicher.»
    «Gut, dann verlassen wir jetzt dieses Thema. Waren Sie schon einmal in Amerika, Colonel Arbuthnot?»
    «Noch nie. Will auch nicht hin.»
    «Kannten Sie einen Colonel Armstrong?»
    «Armstrong – Armstrong – ich kannte zwei oder drei Armstrongs. Einen Tommy Armstrong im Sechzigsten – den meinen Sie doch nicht? Und Selby Armstrong – der ist an der Somme gefallen.»
    «Ich meine den Colonel Armstrong, der eine Amerikanerin geheiratet hat und dessen einziges Kind entführt und ermordet wurde.»
    «Ach ja, ich erinnere mich, darüber etwas gelesen zu haben – scheußliche Geschichte. Ich glaube nicht, dass ich diesem Armstrong je begegnet bin, aber gehört hatte ich natürlich von ihm. Toby Armstrong. Feiner Kerl. Den mochten alle. Hatte eine bemerkenswerte Karriere. Träger des Victoria-Kreuzes.»
    «Der Mann, der letzte Nacht ermordet wurde, war derselbe, der Colonel Armstrongs Kind auf dem Gewissen hat.»
    Arbuthnot machte ein grimmiges Gesicht.
    «Dann hat das Schwein in meinen Augen nur bekommen, was es verdiente. Ich hätte es allerdings vorgezogen, den Kerl ordentlich an den Galgen gebracht zu sehen – oder auf den elektrischen Stuhl, wie man es da drüben macht, soviel ich weiß.»
    «Das heißt, Colonel Arbuthnot, dass Sie von Gesetz und Ordnung mehr halten als von privater Rache?»
    «Na, man kann doch nicht hergehen und Blutrache üben und sich gegenseitig abstechen, wie auf Korsika oder bei der Mafia», meinte der Oberst. «Sagen Sie, was Sie wollen, aber ein Schwurgericht ist eine saubere Sache.»
    Poirot betrachtete ihn eine Weile nachdenklich.
    «Ja», sagte er dann, «diese Einstellung habe ich bei Ihnen erwartet. Nun, Colonel Arbuthnot, ich glaube nicht, dass ich sonst noch Fragen an Sie habe. Sie erinnern sich an nichts aus der vergangenen Nacht, was Ihnen irgendwie verdächtig vorkam – oder Ihnen jetzt im Nachhinein verdächtig vorkommt?»
    Arbuthnot dachte ein paar Sekunden nach.
    «Nein», sagte er dann. «Gar nichts. Höchstens –» Er zauderte.
    «Aber bitte, sprechen Sie weiter.»
    «Ach, es ist eigentlich nichts», sagte der Oberst langsam. «Aber Sie sagten, irgendwie.»
    «Ja doch. Reden Sie.»
    «Ach was, das war nichts. Ein bloßes Detail am Rande. Aber als ich zu meinem Abteil zurückkam, sah ich, dass die Tür des nächsten hinter meinem – es ist das letzte, wie Sie wissen –»
    «Ja. Nummer sechzehn.»
    «Also, da war die Tür nicht ganz zu. Und der Kerl darin spähte irgendwie heimlich durch den Spalt heraus. Dann hat er die Tür ganz schnell zugemacht. Ich weiß natürlich, dass da nichts weiter dabei ist – aber es kam mir eben ein bisschen komisch vor. Ich meine, es wäre völlig normal, die Tür aufzumachen und den Kopf herauszustecken, wenn man etwas sehen will. Es war nur diese heimliche Art, die mir auffiel.»
    «J-ja», meinte Poirot skeptisch.
    «Ich sagte ja schon, dass es nichts weiter war», wehrte sich Arbuthnot. «Aber Sie wissen, wie das ist – mitten in der Nacht – alles ganz still – das wirkte irgendwie bedrohlich – wie im Kriminalroman. In Wirklichkeit alles Blödsinn.»
    Er stand auf.
    «Also, wenn Sie mich nicht mehr brauchen –»
    «Ich danke Ihnen, Colonel Arbuthnot. Nein, sonst hätte ich nichts mehr.»
    Der Offizier zögerte noch einen kleinen Moment. Sein anfänglicher Widerwille gegen ein Verhör durch «Ausländer» schien verflogen.
    «Apropos Miss Debenham», meinte er ein wenig verlegen. «Nehmen Sie mein Wort darauf, dass sie eine saubere Weste hat. Sie ist – pukka sahib.»
    Und sanft errötend zog er sich zurück.
    «Was heißt denn, bitte, pukka sahib?», erkundigte sich Dr. Constantine höchst interessiert.
    «Es heißt», erklärte Poirot, «dass Miss Debenhams Vater und Brüder durch die gleiche Schule gegangen sind wie Colonel

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