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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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seufzte.
    «Also, viel weiter hat uns das nicht gebracht.»
    «Nein», sagte Poirot. «Zwei Leute, die nichts gesehen oder gehört haben.»
    «Sollen wir jetzt den Italiener rufen?»
    Poirot antwortete zunächst nicht. Er war ganz versunken in einen Fettfleck auf einem ungarischen Diplomatenpass.

Achtes Kapitel

Das Zeugnis des Colonel Arbuthnot
     
    P oirot riss sich aus seinen Gedanken. Seine Augen funkelten ein wenig, als sie Monsieur Boucs tatenhungrigem Blick begegneten.
    «Ach, mein lieber alter Freund», sagte er. «Wissen Sie, ich bin so etwas wie ein Snob geworden. Ich finde, man sollte der ersten Klasse seine Aufwartung doch vor der zweiten machen. Meiner Meinung nach sollten wir als Nächstes den schmucken Colonel Arbuthnot hören.»
    Nachdem er festgestellt hatte, dass der Oberst des Französischen nur sehr begrenzt mächtig war, führte Poirot die Vernehmung auf Englisch.
    Arbuthnots Name, Alter, Heimatadresse und genaue Dienststellung wurden ermittelt. Dann fuhr Poirot fort:
    «Sehe ich es richtig, dass Sie auf Urlaub – en permi s sion, wie wir dazu sagen – aus Indien zurückkommen?»
    Colonel Arbuthnot, den es herzlich wenig interessierte, wie die dummen Ausländer zu irgendetwas sagten, antwortete mit echt britischer Kürze:
    «Ja.»
    «Sie machen die Reise aber nicht, wie sonst üblich, mit einem Schiff der Peninsular & Oriental Line?»
    «Nein.»
    «Warum nicht?»
    «Weil ich aus Gründen, die nur mich etwas angehen, den Landweg vorziehe.»
    «Und das», schien sein Ton zu sagen, «kannst du dir hinter die Ohren schreiben, du naseweiser kleiner Laffe.»
    «Sie kommen auf direktem Weg aus Indien?»
    Der Colonel antwortete trocken:
    «Ich habe eine Nacht im Ur der Chaldäer Station gemacht, um mir diese Stadt anzusehen, und mich dann noch drei Tage in Bagdad beim dortigen Standortkommandanten aufgehalten, der zufällig ein alter Freund von mir ist.»
    «Sie waren also drei Tage in Bagdad. Soviel ich weiß, kommt diese junge Engländerin, Miss Debenham, ebenfalls aus Bagdad. Sind Sie ihr dort vielleicht begegnet?»
    «Nein. Ich bin Miss Debenham zum ersten Mal begegnet, als sie und ich im selben Kurswagen von Kirkuk nach Nusaybin saßen.»
    Poirot beugte sich vor. Er schlug einen schmeichelnden Ton an und gab sich ausländischer, als er es nötig gehabt hätte.
    «Ich möchte Sie um Hilfe bitten, Sir. Sie und Miss Debenham sind die beiden einzigen Engländer im Zug. Ich muss Sie beide fragen, was Sie voneinander halten.»
    «Äußerst regelwidrig», versetzte Colonel Arbuthnot kalt.
    «Keineswegs. Sehen Sie, dieses Verbrechen, es wurde höchstwahrscheinlich von einer Frau begangen. Auf den Mann wurde nicht weniger als zwölfmal eingestochen. Sogar der chef de train hat sofort gesagt: ‹Das war eine Frau.› Nun, was ist also meine erste Aufgabe? Ich muss alle Frauen im Wagen Istanbul-Calais ‹durchleuchten›, wie es in amerikanischen Krimis immer heißt. Aber eine Engländerin zu beurteilen, ist nicht einfach. Sie sind so reserviert, die Engländer. Ich bitte Sie also um Ihre Hilfe, Sir, im Interesse der Gerechtigkeit. Was ist Miss Debenham für ein Mensch? Was wissen Sie über die Dame?»
    «Miss Debenham», sagte der Oberst gefühlvoll, «ist eine Lady.»
    «Ah!», sagte Poirot mit allen Anzeichen tiefster Befriedigung. «Sie halten es also für kaum wahrscheinlich, dass sie mit dem Verbrechen etwas zu tun haben könnte?»
    «Völlig abwegiger Gedanke», sagte Arbuthnot. «Der Mann war für sie ein Wildfremder – sie hat ihn nie im Leben gesehen.»
    «Hat sie Ihnen das gesagt?»
    «Ja, das hat sie. Sie hat sofort etwas über seine wenig angenehme Erscheinung gesagt. Wenn eine Frau im Spiel ist, wie Sie zu glauben scheinen (nach meiner Ansicht ohne jeden Beweis, nur auf Grund von Vermutungen), dann kann ich Ihnen versichern, dass Miss Debenham dafür unmöglich in Frage kommt.»
    «Sie lassen Ihr Herz sprechen», meinte Poirot lächelnd.
    Colonel Arbuthnot quittierte das mit einem eisigen Blick. «Ich weiß wirklich nicht, was Sie damit meinen», sagte er.
    Der Blick schien Poirot zu beschämen. Er begann in den Papieren zu kramen, die vor ihm lagen.
    «Das tut ja alles nichts zur Sache», meinte er schließlich. «Wenden wir uns den Tatsachen zu. Wir haben Gründe zu der Annahme, dass die Tat letzte Nacht um Viertel nach eins geschah. Es gehört zum üblichen Vorgehen, jeden im Zug zu fragen, was er oder sie um diese Zeit getan hat.»
    «Ganz recht. Um Viertel nach eins habe ich mich meines

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