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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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«Die Schreibung meines Landsitzes bereitet Leuten, die mit der Sprache nicht vertraut sind, doch gewisse Schwierigkeiten.»
    Er schob Poirot das Blatt Papier wieder hin und stand auf.
    «Es dürfte sich erübrigen, auch noch meine Frau kommen zu lassen», sagte er. «Sie kann Ihnen nicht mehr sagen als ich.»
    In Poirots Augen begann es ein wenig zu funkeln.
    «Gewiss, gewiss», sagte er. «Dennoch möchte ich ganz gern ein paar Worte mit Madame la Comtesse reden.»
    «Ich versichere Ihnen, dass es völlig unnötig ist.»
    Sein Ton klang jetzt gebieterisch.
    Poirot blinzelte ihn freundlich an.
    «Es ist eine bloße Formalität», sagte er. «Aber Sie verstehen, ich brauche das für meinen Bericht.»
    «Bitte, wie Sie wünschen.»
    Der Graf gab widerstrebend nach, und mit einer knappen, fremdländischen Verbeugung verließ er den Speisewagen.
    Poirot angelte sich einen der Pässe. Darin standen der Name und die Titel des Grafen. Er blätterte zu den weiteren Angaben – begleitet von: Ehefrau; Vorname: Elena Maria; Mädchenname: Goldenberg; Alter: zwanzig Jahre. Irgendwann hatte ein liederlicher Beamter einen Fettfleck darauf hinterlassen.
    «Ein Diplomatenpass», sagte Monsieur Bouc. «Wir sollten uns vorsehen, mein Freund, damit wir nicht anecken. Diese Leute können mit dem Mord ja nichts zu tun haben.»
    «Beruhigen Sie sich, mon vieux, ich werde sehr taktvoll vorgehen. Eine bloße Formalität.»
    Er ließ die Stimme sinken, als Gräfin Andrenyi in den Speisewagen trat. Sie sah ein wenig ängstlich und über die Maßen bezaubernd aus.
    «Sie wünschen mich zu sprechen, Messieurs?»
    «Eine bloße Formalität, Madame la Comtesse.» Poirot erhob sich ritterlich und wies ihr mit einer Verbeugung den Platz ihm gegenüber an. «Nur um zu fragen, ob Sie vergangene Nacht irgendetwas gesehen oder gehört haben, was Licht in diese Angelegenheit bringen könnte.»
    «Nein, Monsieur, gar nichts. Ich habe geschlafen.»
    «Sie haben zum Beispiel nicht gehört, was im Abteil nebenan vor sich ging? Die Amerikanerin, die es belegt, hatte einen hysterischen Anfall und hat nach dem Schaffner geklingelt.»
    «Ich habe nichts gehört, Monsieur. Wissen Sie, ich hatte doch einen Schlaftrunk genommen.»
    «Ach ja, ich verstehe. Nun, dann brauche ich Sie wohl nicht länger aufzuhalten – nur noch einen kleinen Moment», sagte er, als sie sich flink erhob. «Diese Angaben hier – Mädchenname, Alter und so weiter – sie stimmen doch?»
    «Voll und ganz, Monsieur.»
    «Dann würden Sie mir das vielleicht hier unterschreiben?»
    Sie unterschrieb – mit einer flotten, schräg gestellten Schrift.
    Elena Andrenyi.
    «Haben Sie Ihren Gatten seinerzeit nach Amerika begleitet, Madame?»
    «Nein, Monsieur.» Sie errötete ein wenig. «Wir waren damals noch nicht verheiratet. Das sind wir erst seit einem Jahr.»
    «Ach ja. Danke, Madame. Übrigens, raucht Ihr Gatte?»
    Sie war schon halb zum Gehen gewandt und sah ihn mit großen Augen an.
    «Ja.»
    «Pfeife?»
    «Nein. Zigaretten und Zigarren.»
    «Aha! Ich danke Ihnen.»
    Sie zögerte. Ihre Augen betrachteten ihn neugierig. Es waren wunderschöne Augen, dunkel und mandelförmig, mit sehr langen schwarzen Wimpern, die sich von der feinen Blässe ihrer Wangen abhoben. Ihre nach fremdländischer Sitte sehr rot geschminkten Lippen waren leicht geöffnet. Sie war eine exotische Schönheit.
    «Warum haben Sie mich das gefragt?»
    «Madame –» Poirot machte eine wegwerfende Geste. «Detektive müssen allerlei Fragen stellen. Zum Beispiel: Würden Sie mir die Farbe Ihres Morgenmantels verraten?»
    Sie sah ihn wieder groß an. Dann lachte sie.
    «Er ist aus maisgelbem Chiffon. Ist das wirklich wichtig?»
    «Sehr wichtig, Madame.»
    Sie fragte neugierig:
    «Und Sie sind tatsächlich ein Detektiv?»
    «Zu Ihren Diensten, Madame.»
    «Ich dachte, während der Durchfahrt durch Jugoslawien wäre keine Polizei im Zug – erst wieder in Italien.»
    «Ich bin kein jugoslawischer Polizist, Madame. Ich bin ein internationaler Detektiv.»
    «Vom Völkerbund?»
    «Ich gehöre der Welt, Madame», antwortete Poirot erhaben. «Hauptsächlich», fuhr er fort, «arbeite ich in London. Sprechen Sie Englisch?»
    «A lietel, yäs», antwortete sie mit bezauberndem Akzent.
    Poirot verbeugte sich noch einmal.
    «Wir werden Sie nicht länger aufhalten, Madame. Sie sehen, es war doch gar nicht so schlimm.»
    Sie lächelte, neigte kurz den Kopf und ging.
    «Elle est jolie femme», sagte Monsieur Bouc anerkennend.
    Er

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