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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hinaus.
    «Vielleicht haben Sie Recht, Monsieur Poirot», meinte er. «Aber ich denke, jedes Volk liebt seine eigenen Frauen am meisten.»
    Er blinzelte, als täte der Schnee seinen Augen weh.
    «Blendet ein bisschen», bemerkte er. «Wissen Sie, meine Herren, mir geht diese Geschichte langsam auf die Nerven. Der Mord, der Schnee und so weiter, und nichts tut sich. Man hängt hier nur herum und schlägt die Zeit tot. Ich möchte mich endlich wieder auf irgendeine Fährte setzen.»
    «Der wahre amerikanische Tatendrang», meinte Poirot lächelnd.
    Der Schaffner hob die Koffer wieder ins Gepäcknetz, und sie gingen ins nächste Abteil. Colonel Arbuthnot saß pfeiferauchend in einer Ecke und las in einer Illustrierten.
    Poirot erklärte ihm, wozu sie gekommen waren. Der Oberst erhob keine Einwände. Er hatte zwei schwere Lederkoffer.
    «Mein übriges Gepäck ist auf dem Seeweg», erklärte er.
    Wie die meisten Soldaten verstand Colonel Arbuthnot seine Koffer ordentlich zu packen. Die Durchsuchung seines Gepäcks nahm nur Minuten in Anspruch. Poirot fand ein Päckchen Pfeifenreiniger.
    «Benutzen Sie immer dieselbe Sorte?», fragte er.
    «Gewöhnlich ja. Wenn ich sie kriege.»
    «Aha.» Poirot nickte.
    Die Pfeifenreiniger waren die gleichen wie der, den er im Abteil des Toten vom Fußboden aufgehoben hatte.
    Als sie wieder auf dem Gang waren, machte Dr. Constantine eine entsprechende Bemerkung.
    «Tout de même», murmelte Poirot. «Ich kann es kaum glauben. Es ist nicht dans son caractère, und damit ist eigentlich alles gesagt.»
    Die Tür zum nächsten Abteil war zu. Es gehörte der Fürstin Dragomiroff. Sie klopften, und die Fürstin rief: «Entrez!»
    Monsieur Bouc war der Sprecher. Überaus ehrerbietig und höflich erklärte er ihr Begehr.
    Die Fürstin hörte ihn schweigend an. Ihr kleines Krötengesicht zeigte keine Regung.
    «Wenn es sein muss, Messieurs», sagte sie ruhig, nachdem er geendet hatte, «brauchen wir darüber kein weiteres Wort zu verlieren. Meine Zofe hat die Schlüssel. Sie wird Ihnen behilflich sein.»
    «Hat Ihre Zofe immer die Schlüssel, Madame?», erkundigte sich Poirot.
    «Gewiss, Monsieur.»
    «Und wenn nachts an einer Grenze der Zoll einen der Koffer geöffnet haben möchte?»
    Die alte Dame zuckte die Achseln.
    «Das ist sehr unwahrscheinlich. Aber in so einem Fall würde der Schaffner sie rufen.»
    «Sie vertrauen Ihrer Zofe also uneingeschränkt, Madame?»
    «Das habe ich Ihnen schon gesagt», antwortete die Fürstin ruhig. «Ich stelle niemanden ein, dem ich nicht vertraue.»
    «Ja, ja», meinte Poirot bedächtig. «Vertrauen ist heutzutage wirklich etwas wert. Vielleicht ist eine weniger hübsche Zofe, der man vertrauen kann, doch besser als eine schicke Mademoiselle – eine flotte Pariserin zum Beispiel.»
    Die klugen, dunklen Augen richteten sich langsam auf ihn.
    «Was wollen Sie damit eigentlich sagen, Monsieur Poirot?»
    «Ich, Madame? Nichts. Gar nichts.»
    «Aber doch. Sie finden, ich sollte mir eine flotte Französin zulegen, die mir die Toilette macht, nicht wahr?»
    «Es entspräche vielleicht etwas mehr den Gepflogenheiten, Madame.»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Schmidt ist mir ergeben.» Ihre Stimme verharrte liebevoll auf dem Wort. «Ergebenheit – c ’ est impa y able.»
    Die deutsche Zofe war inzwischen mit den Schlüsseln gekommen. Die Fürstin befahl ihr in ihrer Muttersprache, die Koffer zu öffnen und den Herren bei der Durchsuchung zu helfen. Sie selbst blieb solange auf dem Gang und blickte in den Schnee hinaus. Poirot leistete ihr dabei Gesellschaft und überließ die Durchsuchung des Gepäcks Monsieur Bouc.
    Sie sah ihn mit einem grimmigen Lächeln an.
    «Nanu, Monsieur, Sie wollen nicht sehen, was in meinen Koffern ist?»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Es ist eine bloße Formalität, Madame.»
    «Sind Sie da so sicher?»
    «In Ihrem Fall ja.»
    «Dabei habe ich doch Sonia Armstrong gekannt und geliebt. Was denken Sie also? Dass ich mir nicht die Finger schmutzig machen würde, indem ich eine canaille wie Cassetti persönlich ermorde? Gut, da haben Sie vielleicht recht.»
    Sie schwieg eine ganze Weile, dann sagte sie:
    «Wissen Sie, was ich mit so einem Menschen am liebsten gemacht hätte? Meiner Dienerschaft zugerufen: ‹Peitscht ihn zu Tode, und dann werft ihn auf den Misthaufen.› So hat man es gehalten, als ich noch jung war, Monsieur.»
    Er sagte noch immer nichts, sondern hörte nur aufmerksam zu.
    Plötzlich funkelte sie ihn böse an.
    «Sie sagen ja

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