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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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werden wir Ihr Gepäck als Erstes durchsuchen, und dann wären Sie vielleicht so lieb, einmal zu der amerikanischen Dame zu gehen und zu fragen, wie es ihr geht. Wir haben sie in ein anderes Abteil im nächsten Wagen verlegt, aber ihre unliebsame Entdeckung setzt ihr noch immer sehr zu. Ich habe ihr einen Kaffee bringen lassen, aber ich glaube, ein Mensch, mit dem sie reden kann, ist für eine Frau wie sie geradezu lebensnotwendig.»
    Die gute Schwedin war sogleich voller Mitgefühl. Ja, sie werde unverzüglich hingehen. Es müsse in der Tat ein furchtbarer Schock für ihre Nerven gewesen sein, wo doch die Reise an sich und der Abschied von ihrer Tochter die Ärmste schon so mitgenommen hätten. Ja, sie werde sofort hingehen – ihr Koffer sei nicht verschlossen – und ihr etwas Riechsalz mitnehmen.
    Sie stürzte davon. Ihre Siebensachen waren schnell durchgesehen, denn sie waren überaus karg. Dass in ihrer Hutschachtel die Drahtgeflechte fehlten, hatte sie offenbar noch gar nicht bemerkt.
    Miss Debenham hatte ihr Buch fortgelegt und schaute Poirot zu. Auf seine Bitte gab sie ihm ihre Schlüssel. Als er dann einen Koffer herunternahm und ihn öffnete, fragte sie:
    «Warum haben Sie Miss Ohlsson fortgeschickt, Monsieur Poirot?»
    «Warum, Mademoiselle? Nun, damit sie sich um die Amerikanerin kümmert.»
    «Ein wunderbarer Vorwand – aber doch ein Vorwand.»
    «Ich verstehe nicht, Mademoiselle.»
    «Ich glaube, Sie verstehen sehr gut.»
    Sie lächelte.
    «Sie wollten mich allein sprechen. Habe ich nicht Recht?»
    «Das legen Sie mir in den Mund, Mademoiselle.»
    «Und bringe Sie damit auf Ideen? O nein, das glaube ich nicht. Die Ideen sind schon da. Oder stimmt das etwa nicht?»
    «Mademoiselle, wir haben ein Sprichwort –»
    «Qui s ’ excuse s ’ accuse – wollten Sie das nicht sagen? Sie sollten mir schon ein gewisses Maß an Beobachtungsgabe und gesundem Menschenverstand zutrauen. Aus irgendeinem Grund haben Sie sich in den Kopf gesetzt, ich wüsste etwas über diese unerquickliche Geschichte – den Mord an einem Mann, den ich noch nie im Leben gesehen habe.»
    «Sie müssen sich das einbilden, Mademoiselle.»
    «Nein, ich bilde mir gar nichts ein. Aber mir scheint, Sie vertun sehr viel Zeit mit Ausflüchten – Sie klopfen nur auf den Busch, statt gleich mit Ihren Anliegen herauszurücken.»
    «Und Sie haben für Zeitverschwendung nichts übrig. Nein, Sie möchten gleich zur Sache kommen. Sie lieben die direkte Methode. Eh bien, die sollen Sie haben, Ihre direkte Methode. Ich werde Sie nach der Bedeutung bestimmter Worte fragen, die ich auf der Fahrt von Syrien zufällig mitgehört habe. Ich bin auf dem Bahnhof von Konya aus dem Zug gestiegen, um, wie die Engländer sagen, ‹meine Beine zu strecken›. Da vernahm ich aus der Nacht Ihre Stimme, Mademoiselle, und die des Colonel. Sie sagten zu ihm: ‹Nicht jetzt, nicht jetzt. Erst wenn alles vorbei ist, wenn wir es hinter uns haben.› Was haben Sie denn damit gemeint, Mademoiselle?»
    Vollkommen ruhig fragte sie zurück: «Sie glauben, ich hätte von – Mord gesprochen?»
    «Die Fragen stelle ich, Mademoiselle.»
    Sie seufzte – einen kleinen Moment schien sie in Gedanken verloren. Dann gab sie sich scheinbar einen Ruck und sagte:
    «Diese Worte hatten eine Bedeutung, Monsieur, aber keine, die ich Ihnen nennen kann. Ich kann Ihnen nur feierlich versichern, dass dieser Ratchett mir nie vor Augen gekommen ist, bevor ich ihn in diesem Zug sah.»
    «Und – Sie weigern sich, mir die Bedeutung dieser Worte zu erklären?»
    «Wenn Sie es so auszudrücken belieben – ja, ich weigere mich. Es ging dabei um – eine Sache, die ich in Angriff genommen hatte.»
    «Eine Sache, die nunmehr erledigt ist?»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Sie ist doch jetzt erledigt, nicht wahr?»
    «Wie kommen Sie darauf?»
    «Hören Sie, Mademoiselle, ich will Ihnen noch etwas anderes ins Gedächtnis rufen. An dem Tag, an dem wir in Istanbul ankommen sollten, hatte der Zug Verspätung. Sie waren sehr aufgeregt, Mademoiselle. Sie, die Sie sonst so ruhig, so beherrscht sind. Diese Ruhe war Ihnen abhanden gekommen.»
    «Ich wollte lediglich meinen Anschluss nicht verpassen.»
    «Ja, das sagten Sie da auch. Aber der Orientexpress, Mademoiselle, verlässt Istanbul an jedem Wochentag. Selbst wenn Sie den Anschluss verpasst hätten, wäre es nur eine Sache von vierundzwanzig Stunden gewesen.»
    Miss Debenham ließ sich zum ersten Mal so etwas wie Zorn anmerken.
    «Sie scheinen nicht zu

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