Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
von Bedeutung erscheinen. Beginnen wir mit einer Bemerkung, die Monsieur Bouc genau an diesem Ort aus Anlass unseres ersten gemeinsamen Mittagessens in diesem Zug machte. Er sagte, um uns herum säßen Menschen aller Schichten, jeden Alters, aller Nationalitäten. Solches ist um diese Jahreszeit doch eher ungewöhnlich. Zum Beispiel sind die Kurswagen Athen-Paris und Bukarest-Paris so gut wie leer. Denken Sie bitte auch an den einen Passagier, der nicht erschienen ist. Ich halte ihn für bedeutsam. Dann gibt es noch ein paar kleinere Punkte, die mir viel sagend erscheinen, als da wären: die Stelle, an der Mrs. Hubbards Waschzeugbeutel hing; der Name von Mrs. Armstrongs Mutter; die detektivischen Methoden des Mr. Hardman; Mr. MacQueens Vermutung, Ratchett selbst habe den Brief verbrannt, dessen verkohlte Reste wir gefunden haben; Fürstin Dragomiroffs Vorname; und ein Fettfleck auf einem ungarischen Pass.»
    Die beiden anderen sahen ihn mit großen Augen an.
    «Sagen diese Punkte Ihnen auch etwas?», fragte Poirot.
    «Nicht das Mindeste», gestand Monsieur Bouc freimütig.
    «Und Monsieur le Docteur?»
    «Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.» Derweil stürzte Monsieur Bouc sich auf den einzigen greifbaren Punkt, den sein Freund genannt hatte – er blätterte die Pässe durch. Grunzend klappte er den Pass des gräflichen Ehepaares Andrenyi auf. «Meinen Sie das hier? Diesen Schmutzfleck?»
    «Ja. Es ist ein ziemlich frischer Fettfleck. Sie sehen, an welcher Stelle er sich befindet?»
    «Bei den Angaben zur Person der Ehefrau – genauer gesagt, auf ihrem Vornamen. Aber ich gestehe, dass ich noch immer nicht begreife, was es damit auf sich hat.»
    «Dann will ich es von einer anderen Seite angehen. Denken wir an das Taschentuch, das am Tatort gefunden wurde. Wie wir erst vor kurzem festgestellt haben, kommt der Anfangsbuchstabe H bei drei Personen vor: Mrs. Hubbard, Miss Debenham und Hildegard Schmidt. Betrachten wir nun das Taschentuch aus einem anderen Blickwinkel. Es ist ein sündhaft teures Taschentuch, meine Freunde – un objet de luxe, handgefertigt, bestickt in Paris. Wer von den Reisenden – lassen wir das Monogramm einmal außer Betracht – würde ein solches Tüchlein besitzen? Nicht Mrs. Hubbard, eine achtbare Frau ohne jede Neigung zu modischen Extravaganzen. Nicht Miss Debenham; Engländerinnen dieser Klasse besitzen zierliche Leinentüchlein, keine teuren Batistfähnchen im Wert von vielleicht zweihundert Franc. Und schon gar nicht die Zofe. Aber es befinden sich zwei Damen im Zug, die ein solches Tüchlein ohne weiteres besitzen könnten. Wir wollen sehen, ob wir sie nicht irgendwie mit dem Buchstaben H in Verbindung bringen können. Die beiden Damen, von denen ich spreche, sind die Fürstin Dragomiroff –»
    «Die mit Vornamen Natalia heißt», warf Monsieur Bouc ironisch ein.
    «Genau. Und ihr Vorname ist, wie ich eben sagte, ein Punkt von Bedeutung. Die andere Dame ist die Gräfin Andrenyi. Und sofort fällt uns auf –»
    «Ihnen!»
    «Gut, dann eben mir. Ihr Vorname im Pass ist durch einen Fettfleck entstellt. Reiner Zufall, könnte man sagen. Aber betrachten wir diesen Vornamen genauer. Elena. Nehmen wir an, er wäre Helena und nicht Elena. Man könnte aus dem großen H unter Einbeziehung des nebenstehenden kleinen E ein großes E machen – dann schnell noch ein Fettfleck darüber, um die Manipulation zu vertuschen…»
    «Helena!», rief Monsieur Bouc. «Das ist natürlich eine Idee.»
    «Eine Idee, gewiss! Ich sehe mich nach einer Bestätigung für diese Idee um, einer noch so winzigen – und finde sie. Einer der Aufkleber am Gepäck der Gräfin ist etwas feucht. Und rein zufällig überklebt er die erste Initiale auf dem Kofferdeckel. Dieser Aufkleber wurde eingefeuchtet und abgezogen und an anderer Stelle wieder aufgeklebt.»
    «Sie fangen an, mich zu überzeugen», sagte Monsieur Bouc. «Aber die Gräfin Andrenyi – ich bitte Sie –»
    «Nun aber, mon vieux, müssen Sie eine Kehrtwendung machen und den Fall von einer völlig anderen Seite betrachten. Wie sollte dieser Mord für jedermann aussehen? Vergessen Sie nicht, dass der Schnee den ursprünglichen Plan des Mörders durchkreuzt hat. Stellen wir uns nur für eine Minute vor, es wäre kein Schnee gefallen, und der Zug hätte seine Fahrt planmäßig fortgesetzt. Wie wäre es weitergegangen?
    Sagen wir, der Mord wäre nach aller Wahrscheinlichkeit heute früh an der italienischen Grenze entdeckt worden. Man hätte der

Weitere Kostenlose Bücher