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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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auf, und Lawrence Redding kam heraus. Als er mich bemerkte, blieb er wie angewurzelt stehen, und ich war sofort von seinem Aussehen alarmiert. Er wirkte wie ein Mann an der Schwelle zum Wahnsinn. Seine Augen waren sonderbar starr, er war totenbleich und zitterte und zuckte am ganzen Körper.
    Einen Augenblick fragte ich mich, ob er getrunken hatte, verwarf jedoch den Gedanken sofort.
    «Hallo», sagte ich, «wollten Sie mich wieder besuchen? Tut mir Leid, dass ich nicht da war. Aber kommen Sie jetzt mit. Ich muss Protheroe wegen einiger Konten sehen, aber es dauert wohl nicht lange.»
    «Protheroe», sagte er und fing an zu lachen. «Protheroe? Sie wollen Protheroe sehen? Oh, Sie werden Protheroe sehen!
    Oh mein Gott – ja!»
    Ich starrte ihn an. Instinktiv streckte ich die Hand nach ihm aus. Er wich sofort zur Seite.
    «Nein», fast schrie er es. «Ich muss fort – nachdenken. Ich muss nachdenken. Ich muss nachdenken.»
    Er fing an zu laufen und verschwand rasch auf der Straße zum Dorf. Ich schaute ihm nach und dachte wieder an die Möglichkeit, dass er betrunken sein könnte.
    Schließlich schüttelte ich den Kopf und ging ins Pfarrhaus. Die Haustür bleibt immer offen, dennoch läutete ich. Mary kam, sie wischte sich gerade die Hände an der Schürze ab.
    «Endlich sind Sie da!»
    «Ist Colonel Protheroe hier?», fragte ich.
    «Im Arbeitszimmer. Seit Viertel nach sechs.»
    «Und Mr Redding war auch hier?»
    «Ist vor ein paar Minuten gekommen. Hat nach Ihnen gefragt. Ich habe ihm gesagt, Sie wären jede Minute zurück und dass Colonel Protheroe im Arbeitszimmer wartet, und er hat gesagte, er will auch warten und ist hineingegangen. Dort ist er jetzt.»
    «Nein, dort ist er nicht», sagte ich. «Gerade habe ich ihn auf der Straße getroffen.»
    «Ich habe ihn jedenfalls nicht weggehen hören. Er kann nicht länger als zwei Minuten geblieben sein. Die Gnädige ist noch nicht aus der Stadt zurück.»
    Ich nickte zerstreut. Mary verschwand in der Küche, und ich ging durch den Gang und öffnete die Tür zum Arbeitszimmer.
    Nach dem dunklen Gang blendete mich der Schein der Abendsonne, der ins Zimmer fiel. Ich ging ein oder zwei Schritte und blieb dann wie angewurzelt stehen.
    Colonel Protheroe lag in einer schrecklich unnatürlichen Stellung ausgestreckt über meinem Schreibtisch. Eine dunkle Flüssigkeit breitete sich neben seinem Kopf aus und tropfte mit einem fürchterlichen Geräusch auf den Boden, tropf, tropf, tropf.
    Ich riss mich zusammen und ging zu ihm. Seine Haut fühlte sich kalt an. Ich hob seine Hand, sie fiel leblos zurück. Der Mann war tot – durch den Kopf geschossen.
    Ich ging zur Tür und rief Mary. Als sie kam, wies ich sie an, so schnell sie konnte, zu Dr. Haydock zu laufen, der gleich an der Straßenecke wohnt, und ihn zu holen. Ich sagte ihr, es habe einen Unfall gegeben.
    Dann ging ich zurück, machte die Tür zu und wartete auf den Arzt.
    Zum Glück traf Mary ihn zu Hause an. Haydock ist ein netter Kerl, ein großer, gut aussehender, stämmiger Mann mit ehrlichem, zerfurchtem Gesicht.
    Er zog die Augenbrauen hoch, als ich schweigend durchs Zimmer deutete. Aber als erfahrener Arzt zeigte er keine Gefühle. Er beugte sich über den Toten und betrachtete ihn kurz. Dann richtete er sich auf und schaute mich an.
    «Nun?», fragte ich.
    «Kein Zweifel, er ist tot – seit einer halben Stunde, würde ich sagen.»
    «Selbstmord?»
    «Kommt nicht in Frage, Mann. Sehen Sie sich die Lage der Wunde an. Außerdem – wenn er sich selbst erschossen hat, wo st dann die Waffe?»
    Es stimmte, nichts dergleichen war zu sehen.
    «Wir sollten lieber nichts berühren», sagte Haydock. «Und ich rufe besser die Polizei an.»
    Am Telefon schilderte er so kurz wie möglich die Tatsachen, dann legte er auf und kam zu mir herüber. «Das ist eine böse Sache. Wie haben Sie ihn gefunden?»
    Ich erklärte es. «Ist – ist es Mord?», fragte ich ziemlich schwach.
    «Sieht so aus. So gemein es klingt – was soll es sonst sein? Eine merkwürdige Angelegenheit. Ich frage mich, wer den armen alten Kerl auf dem Kieker hatte. Natürlich war er nicht beliebt, aber deshalb wird man selten ermordet – leider.»
    «Da ist noch etwas Seltsames», sagte ich. «Am Nachmittag wurde ich telefonisch zu einem Sterbenden gerufen. Als ich dort ankam, waren alle sehr überrascht mich zu sehen. Dem Kranken ging es sehr viel besser als seit Tagen, und seine Frau bestritt energisch, mich überhaupt angerufen zu haben.»
    Haydock

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