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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Wahrheiten muss man sich auseinander setzen. Seine Gedanken entsprechend korrigieren. Aber manchmal – machen sie das Leben schwierig.»
    Er saß stirnrunzelnd da und wirkte dennoch merkwürdig erschöpft.
    «Haydock», sagte ich, «wenn Sie vermuten würden – wenn Sie wüssten –, dass eine bestimmte Person gemordet hat, würden Sie diese Person dem Gesetz ausliefern, oder wären Sie versucht, sie zu beschützen?»
    Auf die Wirkung meiner Frage war ich nicht vorbereitet. Wütend und argwöhnisch fuhr er mich an: «Warum sagen Sie das, Clement? Woran denken Sie? Heraus damit, Mann!»
    «Oh, an nichts Besonderes», erwiderte ich ziemlich verblüfft. «Nur – nun, im Moment denken wir ständig an Mord. Wenn Sie ganz zufällig die Wahrheit entdeckt hätten – ich fragte mich, wie Sie sich dann verhalten würden, das war alles.»
    Sein Zorn legte sich. Er schaute wieder vor sich ins Leere wie ein Mann, der versucht, die Antwort auf ein Rätsel zu finden, das ihn verwirrt, aber nur in seinem eigenen Hirn existiert.
    «Wenn ich es vermuten würde – wenn ich es wüsste –, dann würde ich meine Pflicht tun, Clement. Wenigstens hoffe ich das.»
    «Die Frage ist nur – worin würden Sie Ihre Pflicht sehen?»
    Er schaute mich undurchdringlich an. «Diese Frage stellt sich jedem Menschen irgendwann im Leben, nehme ich an, Clement. Und jeder Mensch muss sie für sich beantworten.»
    «Sie wissen es nicht?»
    «Nein, ich weiß es nicht…»
    Ich hielt es für das Beste, das Thema zu wechseln. «Mein Neffe genießt diesen Fall von Herzen. Er verbringt Stunden damit, Fußabdrücke und Zigarettenasche zu suchen.»
    Haydock lächelte. «Wie alt ist er?»
    «Gerade sechzehn. In diesem Alter nimmt man Tragödien nicht ernst. Sie sind nur Fälle für Sherlock Holmes und Arsène Lupin.»
    Haydock sagte nachdenklich. «Er ist ein gut aussehender Junge. Was haben Sie mit ihm vor?»
    «Ein Studium kann ich ihm leider nicht bezahlen. Der Junge selbst will zur Handelsschifffahrt. Zur Kriegsmarine hat er es nicht geschafft.»
    «Nun – das ist kein leichtes Leben – aber es gibt Schlimmeres. Ja, es gibt Schlimmeres.»
    Ich sah, wie spät es war, und rief: «Ich muss gehen. Ich komme schon eine halbe Stunde zu spät zum Mittagessen.»
    Meine Familie setzte sich gerade zu Tisch, als ich kam. Sie verlangten einen ausführlichen Bericht über meine morgendlichen Aktivitäten, den ich ihnen mit dem Gefühl gab, dass er zu großen Teilen enttäuschend war.
    Dennis amüsierte sich jedoch königlich über die Geschichte von Mrs Price Ridleys Telefonanruf und bekam einen Lachanfall, als ich ausführlich auf den Nervenschock einging, den sie erlitten und mit Pflaumenschnaps bekämpft hatte.
    «Geschieht der alten Hexe recht!», rief er. «Sie hat das schlimmste Mundwerk im Dorf. Ich wollte, ich hätte daran gedacht, sie anzurufen und ihr Angst einzujagen. Wirklich, Onkel Len, wie wärs, wenn ich ihr eine zweite Dosis verpassen würde?»
    Ich bat ihn hastig, nichts Derartiges zu tun. Nichts ist gefährlicher als die gut gemeinten Anstrengungen der jüngeren Generation, einem zu helfen und ihre Sympathie zu zeigen.
    Seine Laune änderte sich plötzlich. Er runzelte die Stirn und gab sich wieder mal als Mann von Welt.
    «Ich war fast den ganzen Morgen mit Lettice zusammen», sagte er. «Weißt du, Griselda, sie ist wirklich sehr unglücklich. Sie will es nicht zeigen, aber so ist es. Sehr unglücklich.»
    «Das hoffe ich doch.» Griselda warf den Kopf zurück. Sie mochte Lettice Protheroe nicht besonders.
    «Ich finde, du bist nicht ganz fair gegenüber Lettice.»
    «Wirklich?», fragte Griselda.
    «Viele Leute tragen keine Trauer.»
    Griselda schwieg, ich ebenfalls. Dennis fuhr fort: «Mit den meisten Leuten redet sie nicht, mit mir aber schon. Sie ist furchtbar besorgt über die ganze Angelegenheit und findet, etwas sollte getan werden.»
    «Sie wird feststellen», sagte ich, «dass Kommissar Slack ganz ihrer Meinung ist. Heute Nachmittag geht er nach Old Hall und macht vermutlich bei seiner Suche nach der Wahrheit allen das Leben schwer.»
    «Was hältst du für die Wahrheit, Len?», fragte meine Frau plötzlich.
    «Das ist schwer zu sagen, mein Liebes. Ich kann nicht behaupten, dass ich momentan auch nur eine Ahnung hätte.»
    «Hast du gesagt, dass Kommissar Slack diesem Telefonanruf nachgehen will – dem, der dich zu den Abbotts rief?»
    «Ja.»
    «Aber kann er das? Ist das nicht sehr schwierig?»
    «Das kann ich mir nicht vorstellen.

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