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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Wort verlassen, dass sie hier war.»
    «Sie war aber nicht hier, als ich Sie holte. Ich meine, als wir die Leiche entdeckten.»
    «Nein.» Er wirkte beunruhigt. «Sie war gegangen – um eine Verabredung einzuhalten.»
    «In welcher Richtung war die Verabredung? In ihrem eigenen Haus?»
    «Ich weiß es nicht, Clement. Bei meiner Ehre, ich weiß es nicht.»
    Ich glaubte ihm, aber…
    «Und angenommen, ein Unschuldiger wird gehenkt?», fragte ich.
    «Nein», sagte er. «Niemand wird für den Mord an Colonel Protheroe gehenkt. Ich gebe Ihnen mein Wort, darauf können Sie sich verlassen.»
    Aber gerade das konnte ich nicht. Und doch klang er sehr sicher.
    «Niemand wird gehenkt», wiederholte er.
    «Dieser Mann, Archer…»
    Er machte eine ungeduldige Bewegung.
    «Hat nicht genug Grips, um seine Fingerabdrücke von der Pistole zu wischen.»
    «Vielleicht nicht», sagte ich zweifelnd.
    Dann fiel mir etwas ein. Ich holte den kleinen bräunlichen Kristall, den ich im Wald gefunden hatte, aus der Tasche, zeigte ihn Haydock und fragte ihn, was das sei.
    «Hm.» Er zögerte. «Sieht aus wie Pikrinsäure. Wo haben Sie es gefunden?»
    «Das», antwortete ich, «bleibt Sherlock Holmes’ Geheimnis.»
    Er lächelte.
    «Was ist Pikrinsäure?»
    «Nun, ein Sprengstoff.»
    «Ja, das weiß ich, aber es gibt noch einen anderen Verwendungszweck, nicht wahr?»
    Er nickte. «Es wird in der Medizin verwendet – in einer Lösung für Verbrennungen. Wunderbares Zeug.»
    Ich streckte die Hand aus, und ziemlich widerstrebend gab er es mir zurück.
    «Es hat wahrscheinlich keine Bedeutung», sagte ich. «Aber ich habe es an einer ungewöhnlichen Stelle gefunden.»
    «Sie wollen mir nicht sagen wo?»
    Ziemlich kindisch lehnte ich das ab.
    Er hatte seine Geheimnisse. Nun, ich hatte meine.
    Ich war ein wenig gekränkt, dass er mir nicht ganz vertraut hatte.

Sechsundzwanzigstes Kapitel
     
    I ch war in einer seltsamen Stimmung, als ich an diesem Abend auf die Kanzel stieg.
    Die Kirche war ungewöhnlich voll. Ich kann nicht glauben, dass es die Aussicht auf Hawes’ Predigt war, die so viele angezogen hatte. Seine Predigten sind langweilig und dogmatisch. Und wenn die Neuigkeit sich herumgesprochen hatte, dass ich statt seiner predige, hätte sie das auch nicht hergelockt. Denn meine Predigten sind langweilig und gelehrt. Ebenso wenig, fürchte ich, kann ich den guten Besuch auf Frömmigkeit zurückführen.
    Jeder war gekommen, folgerte ich, um zu sehen, wer sonst noch da war, und möglicherweise hinterher in der Vorhalle ein bisschen Klatsch auszutauschen.
    Haydock war in der Kirche, was ungewöhnlich ist, und Lawrence Redding ebenfalls. Und zu meiner Überraschung sah ich neben Lawrence das weiße, gespannte Gesicht von Hawes. Anne Protheroe war da, aber sie kommt gewöhnlich sonntags zur Abendandacht, obwohl ich heute kaum mit ihr gerechnet hatte. Weit mehr erstaunte es mich, Lettice zu sehen. Der Kirchgang war am Sonntagmorgen Pflicht – Colonel Protheroe war in diesem Punkt unerbittlich –, aber bei einem Abendgottesdienst hatte ich Lettice noch nie gesehen.
    Gladys Cram war da, sie sah vor dem Hintergrund verhutzelter alter Jungfern aufdringlich jung und gesund aus, und ich nahm an, dass die nur undeutlich sichtbare Gestalt hinten in der Kirche, die spät hereinschlüpft war, Mrs Lestrange war.
    Ich muss kaum erwähnen, dass Mrs Price Ridley, Miss Hartnell, Miss Wetherby und Miss Marple vollzählig erschienen waren. Alle Dorfbewohner waren da mit kaum einer Ausnahme. Ich weiß nicht, wann wir zuletzt eine so zahlreiche Gemeinde versammelt hatten.
    Massen sind eigenartig. An diesem Abend herrschte eine aufgeladene Atmosphäre, und der Erste, der ihren Einfluss spürte, war ich selbst.
    In der Regel bereite ich meine Predigten vor. Ich bin dabei sorgfältig und gewissenhaft, aber niemand kennt ihre Mängel besser als ich.
    Heute Abend blieb mir nichts anderes übrig als ex te m pore zu sprechen, und als ich hinunterschaute auf das Meer erhobener Gesichter, überkam mich eine plötzliche Tollheit. Ich hörte in gewissem Sinn auf, ein Diener Gottes zu sein. Ich wurde ein Schauspieler. Ich hatte ein Publikum vor mir, und ich wollte dieses Publikum packen – und mehr als das, ich spürte die Macht es packen zu können.
    Ich bin nicht stolz auf das, was ich an diesem Abend machte. Ich glaube nicht im Geringsten an den emotionalen Erweckungsgeist. Doch an diesem Abend spielte ich die Rolle eines rasenden, tobenden Evangelisten.
    Langsam

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