Mord im Spiegel
weg, um ein paar Modefotos für ›Fashion Dream‹ zu schießen. Sie hätten anrufen und sich einen Termin geben lassen sollen, wissen Sie. Margot ist im Augenblick schrecklich beschäftigt.«
»Ich habe ja angerufen. Niemand hat abgehoben.«
»Natürlich!«, erwiderte der junge Mann. »Wir hatten ausgehängt. Jetzt fällt es mir wieder ein. Das Klingeln stört so.« Er strich sich über die lilafarbene Bluse, die er trug. »Kann ich etwas für Sie tun? Einen Termin notieren? Ich erledige einen Haufen geschäftliches Zeug für Margot. Sollen Fotos gemacht werden? Geschäftlich oder privat?«
»Wenn man es genau betrachtet, weder noch«, erwiderte Craddock. Er gab dem jungen Mann eine Visitenkarte.
»Wie außerordentlich aufregend«, sagte der junge Mann. »Kriminalpolizei! Wissen Sie, dass ich schon Bilder von Ihnen gesehen habe? Sind Sie nicht einer der vier wichtigsten Leute? Oder der fünf wichtigsten? Es gibt so viele Verbrechen heutzutage, dass man nie genug Leute hat. Ach, mein Lieber, hat das etwa respektlos geklungen? Ich fürchte es beinahe. Das wollte ich nicht. Also, warum wollten Sie Margot sprechen? Sie sind doch nicht gekommen, um sie zu verhaften?«
»Es handelt sich nur um ein paar Fragen.«
»Sie macht keine unanständigen Fotos oder so was«, erklärte der junge Mann besorgt. »Ich hoffe, dass man Ihnen nicht solchen Unsinn erzählt hat, denn es ist nicht wahr. Margot ist eine Künstlerin. Sie legt großen Wert auf die Szenerie und arbeitet viel im Studio. Aber ihre Bilder sind sehr, sehr edel – fast prüde, möchte ich sagen.«
»Ich verrate Ihnen gern, warum ich Miss Bence sprechen möchte«, sagte Craddock. »Sie war kürzlich Augenzeuge eines Verbrechens, das sich in der Nähe eines Ortes namens Much Benham zugetragen hat – in St. Mary Mead.«
»Ach, mein Lieber, natürlich! Ich weiß Bescheid! Margot hat es mir erzählt. Schierling im Cocktail, nicht wahr? Oder etwas Ähnliches. Es klang so trübselig. Es hatte was mit Sanitätern zu tun, und die sind doch alles andere als trübselig! Aber haben Sie Margot nicht bereits verhört oder war es ein Kollege von Ihnen?«
»Es tauchen immer noch mehr Fragen auf, je weiter der Fall sich entwickelt«, erklärte Craddock.
»Ja, ich verstehe. Wie ein Foto, das man entwickelt. Genau.«
»So ähnlich«, sagte Craddock. »Ein guter Vergleich.«
»Nett, das zu sagen. Aber reden wir wieder von Margot. Möchten Sie sie sofort sprechen?«
»Wenn Sie es ermöglichen können, ja.«
»Also, im Augenblick dürfte sie bei Keats Haus sein«, antwortete der junge Mann und warf einen Blick auf seine Uhr. »Mein Wagen steht draußen. Soll ich Sie nach Hampstead Heath fahren?«
»Sehr freundlich von Ihnen, Mr – .«
»Jethroe«, antwortete der junge Mann. »Johnny Jethroe.«
Während sie zur Treppe gingen, fragte Craddock: »Warum gerade das Haus von Keat?«
»Na, Sie wissen sicherlich, dass man Mode heute nicht mehr im Studio fotografiert. Es soll natürlich aussehen, mit Wind und so. Und wenn möglich ein kontrastierender Hintergrund. Ein Ascot-Rock vor dem Wandsworth-Gefängnis, oder ein frivoles Kleidchen vor einem Dichterhaus.«
Mr Jethroe fuhr schnell und geschickt die Tottenham Court Road entlang, durch Camden Town, und schließlich erreichten sie die Gegend von Hampstead Heath. Auf dem Bürgersteig vor Keats Haus war eine entzückende kleine Szene arrangiert worden. Ein schlankes Mädchen in einem durchsichtigen Seidenkleid stand da und hielt ihren riesigen schwarzen Hut fest. Etwas hinter ihr hockte ein zweites Mädchen, die den Rock des Seidenkleides so nach hinten zog, dass sich Knie und Beine deutlich darunter abzeichneten. Eine Frau mit tiefer Stimme gab Anweisungen.
»Mein Gott, Jane, nimm deinen Hintern runter. Man sieht ihn hinter ihrem rechten Knie. Mach dich noch kleiner! So ist es gut! Nein, mehr nach links! Ja, richtig! Jetzt verdeckt dich der Strauch. So wird es gehen. Haltet still! Wir machen noch ein Foto. Diesmal beide Hände am Hut. Gut – und jetzt dreh dich zur Seite, Elsie. Beug dich vor! Mehr! Beug dich, als wolltest du die Zigarettenschachtel aufheben. Ja! Großartig! Ich hab’s. Jetzt mehr nach links. Dieselbe Pose, nur dreh den Kopf etwas nach hinten! So!«
»Ich verstehe nicht, wieso du mich von hinten aufnehmen willst«, maulte das Mädchen namens Elsie.
»Weil du so einen entzückenden Hintern hast, meine Liebe«, rief die Fotografin. »Und wenn du den Kopf drehst, geht dein Kinn hoch wie der Mond, der aus
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