Mord im Spiegel
ist sicherlich ganz einfach – bei den vielen offenen Fenstern und Türen. Jeder kann hereinspazieren.«
»Sie meinen, man sollte das Haus verschließen und verbarrikadieren? Aber es ist so heiß! Außerdem wird der Garten von einem Mann bewacht.«
»Ja, und ich möchte sie auch nicht noch nervöser machen, als sie schon ist. Drohbriefe sind mir egal. Aber Arsen, Ella, Arsen ist etwas anderes…«
»Hier im Haus kann niemand etwas ins Essen tun.«
»Wirklich nicht, Ella? Wirklich nicht?«
»Jedenfalls nicht unbeobachtet. Keine fremden Personen dürfen – «
»Für Geld tun die Menschen alles, Ella!«, unterbrach er sie.
»Aber sie morden wohl kaum dafür.«
»Auch das gibt es. Und ahnen vielleicht nicht, dass es überhaupt Mord war. Die Angestellten…«
»Ich bin überzeugt, dass die Hausangestellten in Ordnung sind.«
»Nehmen wir Giuseppe. Ich bezweifle, dass man Giuseppe trauen kann, wenn es um Geld geht… Er ist zwar schon seit einiger Zeit bei uns, doch – «
»Warum quälen Sie sich damit, Jason?«
Er warf sich in einen Sessel und beugte sich vor, sodass seine langen Arme zwischen seinen Knien hingen.
»Was soll ich nur tun?«, fragte er zögernd und leise. »Mein Gott, was soll ich nur tun?«
Ella schwieg. Sie saß nur da und beobachtete ihn.
»Sie war hier so glücklich«, sagte Rudd, mehr zu sich selbst als zu Ella. Er starrte auf den Teppich. Wenn er aufgeblickt hätte, würde ihn der Ausdruck auf ihrem Gesicht vermutlich erstaunt haben.
»Sie war glücklich«, sagte er noch einmal. »Sie hoffte, hier glücklich zu werden, und sie war glücklich. Das hat sie damals auch zu dieser Mrs – wie hieß sie noch…«
»Mrs Bantry?«
»Ja, Mrs Bantry. Es war an jenem Tag, als Mrs Bantry zum Tee kam. Marina sagte, es sei so friedlich hier. Sie sagte, dass sie endlich einen Ort gefunden habe, wo sie zur Ruhe kommen könne und sich glücklich und geborgen fühle. Mein Gott, geborgen!«
»Und sie lebten glücklich und in Frieden?« Ellas Stimme klang leicht ironisch. »Ja, wenn man es so sieht, hört es sich wie ein Märchen an.«
»Jedenfalls glaubte sie daran.«
»Aber Sie nicht«, antwortete Ella. »Sie haben es nie für möglich gehalten.«
Rudd lächelte. »Ja, ich glaube nicht an den ganzen Zauber. Doch ich dachte, dass für eine Weile, ein Jahr oder auch zwei, Ruhe und Zufriedenheit einziehen würden. Es hätte eine neue Frau aus ihr gemacht. Vielleicht hätte sie ihr Selbstvertrauen wieder gefunden. Sie kann glücklich sein, wissen Sie. Und wenn sie glücklich ist, ist sie wie ein Kind. Genau wie ein Kind. Und jetzt – jetzt musste dies passieren!«
Ella bewegte sich unruhig. »Es passiert immer etwas«, sagte sie brüsk. »So ist das Leben nun einmal. Man muss es nehmen, wie es ist. Manche können das, manche nicht. Sie gehört zu den Leuten, die es nicht können.« Sie nieste.
»Ist Ihr Heuschnupfen wieder schlimmer geworden?«
»Ja. Ach, übrigens, Giuseppe ist nach London gefahren.«
Rudd blickte sie etwas erstaunt an. »Nach London? Warum?«
»Irgendwelche Familienprobleme. Verwandte von ihm wohnen in Soho, und jemand ist schrecklich krank. Er fragte Marina, und sie erlaubte es ihm, und da habe ich ihm den Tag frei gegeben. Er kommt heute Abend zurück. Sie haben doch nichts dagegen?«
»Nein«, erwiderte Rudd. »Ich habe nichts dagegen…« Er erhob sich und begann, im Zimmer hin und her zu wandern. »Wenn ich sie fortbringen könnte… jetzt… gleich…«
»Die Dreharbeiten abbrechen? Überlegen Sie nur, was…«
Seine Stimme wurde lauter. »Alle meine Gedanken kreisen um Marina. Verstehen Sie denn nicht? Sie ist in Gefahr! Das ist alles, woran ich denken kann.«
Sie öffnete den Mund, um zu antworten, und schloss ihn dann wieder. Sie nieste unterdrückt und stand auf. »Ich hole mir mein Spray.«
Sie verließ das Büro und ging in ihr Schlafzimmer, während ihr nur der eine Name durch den Kopf schwirrte: Marina… Marina… immer Marina…
Wut stieg in ihr hoch. Sie bemühte sich, sie zu unterdrücken, und trat ins Bad. Sie nahm den Zerstäuber aus dem Medizinschränkchen, legte die Öffnung an das eine Nasenloch und drückte.
Die Warnung kam den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Ihr Hirn registrierte noch den fremdartigen Geruch nach bitteren Mandeln, doch es blieb ihr keine Zeit mehr, ihre zudrückenden Finger vom Zerstäuber zu lösen…
18
C ornish legte den Hörer auf die Gabel. »Miss Brewster ist heute nicht in London«, verkündete
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