Mord im Spiegel
dachte wieder an die treue Florence. Natürlich würde die treue Florence das Haus besser in Ordnung halten. Miss Marple hielt nicht viel von Cherrys guten Vorsätzen. Aber sie war mindestens fünfundsechzig, vielleicht älter. Und würde Florence sich wirklich noch verpflanzen lassen? Vielleicht war sie nur aus Liebe zu Miss Marple damit einverstanden. Aber wollte sie denn, dass man ihretwegen ein Opfer brachte? Litt sie nicht schon unter Miss Knights aufopfernder Pflichterfüllung?
Cherry aber wollte kommen. Zwar machte sie die Hausarbeit mehr schlecht als recht, aber sie hatte Vorzüge, die Miss Marple in diesem Augenblick weit bedeutender erschienen. Warmherzigkeit, Vitalität und ein großes menschliches Interesse an allem, was um sie her geschah.
»Ich möchte selbstverständlich Miss Knight nicht in den Rücken fallen«, erklärte Cherry.
»Machen Sie sich um Miss Knight keine Sorgen«, entgegnete Miss Marple. Ihr Entschluss stand fest. »Sie wird zu einer gewissen Lady Conway fahren, die in einem Hotel in Llandudno wohnt, und es von ganzem Herzen genießen. Wir müssen noch eine Menge Einzelheiten besprechen, Cherry, ich möchte auch mit Ihrem Mann reden – aber wenn Sie wirklich glauben, dass Sie hier glücklich werden…«
»Es gefällt uns ganz schrecklich«, rief Cherry. »Und Sie können sich wirklich darauf verlassen, dass ich alles ordentlich mache. Wenn Sie wollen, benütze ich sogar Besen und Schaufel!«
Miss Marple lachte über dieses großzügige Angebot.
Cherry nahm das Frühstückstablett wieder auf. »Ich muss mich jetzt beeilen. Heute Früh bin ich etwas zu spät gekommen – wegen Arthur Badcock.«
»Wegen Arthur Badcock? Was ist denn passiert?«
»Haben Sie es noch nicht gehört? Man hat ihn aufs Revier gebracht. Sie haben ihn gebeten, ihnen ›bei ihren Nachforschungen zu helfen‹, und Sie wissen ja, was das bedeutet.«
»Wann war das?«
»Heute Morgen«, antwortete Cherry. Dann fügte sie hinzu: »Sicherlich hat man herausgefunden, dass er mal mit der Gregg verheiratet war.«
»Was!« Miss Marple straffte sich. »Arthur Badcock war einmal mit Marina Gregg verheiratet!«
»Angeblich«, sagte Cherry. »Kein Mensch hatte eine Ahnung. Die Geschichte stammt von Mr Upshaw. Er ist geschäftlich ein- oder zweimal in den Staaten gewesen und kennt deshalb eine Menge Klatsch von drüben. Es ist lange her, wissen Sie. Noch bevor sie Karriere machte. Sie waren nur ein Jahr oder zwei verheiratet, dann gewann sie einen Filmpreis, und da war er natürlich nicht mehr gut genug für sie. Sie ließen sich scheiden, was in Amerika schnell geht, und er tauchte unter, wie man sagen könnte. Er ist der Typ, der keine Schwierigkeiten macht. Er verschwand einfach. Er änderte seinen Namen und kam nach England. Es ist alles so lange her. Man sollte nicht denken, dass es heute noch eine Rolle spielt, nicht wahr? Trotzdem – so ist es. Der Polizei genügt es.«
»O nein!«, rief Miss Marple. »O nein! Das darf nicht passieren. Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll – einen Augenblick!« Sie machte eine energische Geste. »Nehmen Sie das Tablett weg, Cherry, und schicken Sie mir Miss Knight. Ich werde jetzt aufstehen.«
Cherry gehorchte. Miss Marple zog sich mit etwas ungeschickten Fingern an. Es irritierte sie, wenn sie feststellen musste, dass Aufregung – gleich welcher Art – sie aus dem Gleichgewicht brachte. Sie knöpfte sich gerade das Kleid zu, als Miss Knight eintrat.
»Sie brauchen mich? Cherry sagte – «
Miss Marple unterbrach sie. »Bestellen Sie Inch!«
»Wie bitte?«, fragte Miss Knight erschrocken.
»Ich brauche Inch«, sagte Miss Marple. »Rufen Sie ihn an, er soll sofort herkommen.«
»Ach so, Sie meinen, ich soll den Transportunternehmer anrufen. Aber der heißt doch Roberts.«
»Für mich«, erklärte Miss Marple, »ist er Inch und bleibt es auch. Wie dem auch sei – er soll herkommen!«
»Möchten Sie einen kleinen Ausflug machen!«
»Er soll herkommen, verstehn Sie?«, sagte Miss Marple. »Und beeilen Sie sich!«
Miss Knight sah sie voll Zweifel an und ging zur Tür. »Wir fühlen uns doch wohl?«, fragte sie dabei argwöhnisch.
»Wir fühlen uns beide sehr wohl«, sagte Miss Marple. »Und ich fühle mich besonders wohl. Tatenlosigkeit liegt mir nicht und hat mir nie gelegen. Handeln zu können, etwas unternehmen zu können – das ist die beste Medizin für mich.«
»Hat Mrs Baker irgendetwas gesagt, das Sie beunruhigt?«
»Ich bin nicht beunruhigt«, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher