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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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zögerte, als er auf die steinerne Schwelle blickte. Dort stand normalerweise der Name des Besitzers. Auch hier waren einst Hieroglyphen eingegraben, doch diese waren, wie die frischen Spuren zeigten, erst vor kurzem ausgemeißelt worden.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
    Sennodjem deutete zum westlichen Horizont. »Unser Dorf ist klein, unsere Gemeinschaft verschwiegen. Niemand besucht uns, wenn er nicht muss. Hier gibt es keinen Gasthof. Das einzige Haus, das zurzeit freisteht, gehörte einem Arbeiter, der vor zwei Monaten in den Westen gegangen ist und keine Familie hinterlassen hat, die es hätte erben können. Aber ich bin sicher, dieses Haus ist viel ruhiger als die großen Herbergen in Theben. Du wirst also ungestört schlafen können«, setzte er mit bösem Lächeln hinzu.
    Rechmire ignorierte ihn und trat in einen kleinen, tiefer gelegenen Vorraum ein, wo zur Linken ein kleiner Altar mit einer Statue der nilpferdköpfigen Göttin Bes stand, die die Häuser und die gebärenden Frauen beschützte. Daneben waren vier Nischen in die Wand eingelassen – für die Büsten von Ahnen, vermutete Rechmire, doch irgendjemand hatte diese fortgeräumt. Nach zwei Schritten war er im Hauptraum: Ein großes, viereckiges Zimmer mit vier Säulen in der Mitte, die das Dach trugen. Die Wände waren weiß verputzt und mit Mustern aus breiten roten Streifen verziert. Es fiel nur spärliches Licht aus kleinen Öffnungen im Dach und hoch oben in den Seitenwänden. Letztere waren mit dünnem Stoff bespannt, damit der Wind keinen Sand hereinwehen konnte. Am hinteren Ende stand ein kniehoch aus Lehmziegeln aufgemauerter Divan, der mit Matten bedeckt war; an einem Ende erhob sich eine hölzerne Kopfstütze. Eine Truhe, ein kleiner Tisch und zwei Stühle bildeten das restliche Mobiliar, alle aus Holz und Flechtwerk gefertigt, ohne Verzierungen zwar, aber sehr solide. In die linke Wand war eine große Kalksteinplatte eingelassen, die wie eine Tür geformt war: eine Stele zu Ehren des Gottes Thot.
    Rechmire war erfreut, dass dem Gott, den er vor allen anderen verehrte, auch hier gehuldigt worden war, und gleichzeitig auch verwundert, dass ein Arbeiter aus diesem abgelegenen Dorf den Gott der Weisheit und der Schrift in seinem Heim geehrt hatte.
    Eine Klappe in der Ziegelwand des Divans führte zu einem kaum halb mannshohen, muffigen, aber kühlen Kellerraum. Durch eine Tür rechts vom Divan trat Rechmire in ein zweites, winziges, vollkommen kahles Zimmer und dann weiter in einen kleinen, mauerumsäumten Innenhof. Den hinteren Abschluss bildete die hohe Außenmauer des Dorfes, die ihren Schatten weit über das Haus warf. Vor der Mauer stand ein gemauerter Ring, in dem das Herdfeuer entzündet werden konnte, daneben erhob sich ein Brotofen aus Ton.
    Rechmire kletterte vom Innenhof über eine Leiter aus Palmstrünken auf die Dachterrasse und sah sich um. Von diesem Haus aus konnte er das ganze Dorf überblicken. Seine Nachbarn zur Linken und Rechten saßen ebenfalls auf den Dächern: Familien, die in der kühlen abendlichen Brise ihr Mahl einnahmen. Alle starrten ihn für einen Moment neugierig an, dann blickten sie schnell wieder weg. Niemand grüßte ihn. Rechmire zuckte mit den Achseln und ging zurück in den Hauptraum.
    Sennodjem war verschwunden, doch irgendjemand hatte einige Leinengewänder auf die Truhe gelegt. Und auf dem Tisch standen zwei Brotlaibe, Körbe mit Zwiebeln und Granatäpfeln, ein Krug Bier und ein großer Krug aus unglasiertem Ton, in dem Wasser schwappte. Rechmire lächelte dankbar und trug den schweren Wasserkrug auf das Dach. In der Nacht würde etwas Flüssigkeit verdunsten. Niemand wusste, warum, aber dies hatte stets zur Folge, dass das Wasser angenehm kühl wurde und am nächsten Morgen eine herrliche Erfrischung war.
    Rechmire hatte danach kein Verlangen mehr, sich auf der Dachterrasse zu zeigen, also verzehrte er sein Nachtmahl lieber in dem warmen, etwas stickigen Hauptraum des Hauses.
    Dann warf er sich auf den Divan, legte seinen Kopf auf die hölzerne Stütze und dachte nach. Kenherchepeschef war im Haus der Ewigkeit von Merenptah gefunden worden. Was hatte er mitten in der Nacht im fast vollendeten Grab des Pharaos zu suchen? Wollte er etwas nachprüfen? Was hatte sein Mörder zu dieser Zeit an diesem Ort zu suchen? Hatten sie sich getroffen? Oder hatte der Erste Schreiber jemanden überrascht?
    Rechmire schüttelte über seine eigenen Gedankengänge den Kopf. Kenherchepeschef hatte sich nicht

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