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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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gewehrt, sich jedoch andererseits so gefürchtet, dass er im Augenblick vor seinem Tod seinen magischen Schutzspruch umklammert hatte. Seine unverletzten Hände waren ein Zeichen, wenn auch kein Beweis, dass er seinen Mörder gekannt hatte. Und die zerbrochene Tafel mit der bösen Fluchformel auf seinem Körper war ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Mörder nicht bei irgendetwas überrascht worden war und nur zugestoßen hatte, damit ihn Kenherchepeschef nicht verriet, sondern dass er die Tat sorgfältig geplant hatte. Und das wiederum konnte er nur getan haben, wenn er Kenherchepeschef gut gekannt hatte. Kaaper schien Recht zu haben: Der Mörder kam aus Set-Maat.
    Dann schweiften seine Gedanken ab. Er träumte von Baketamun und zugleich quälten ihn Bilder seiner launischen, vielleicht unzufriedenen Geliebten, die ihm nicht verzeihen würde, wenn er nicht käme. Und Chaemepes seltsame Bemerkung zum Abschied mochte auch nichts Gutes bedeuten. Rechmire wünschte sich, er könnte wie ein Vogel vom Ort der Wahrheit nach Theben in den Palast des Hohepriesters fliegen. Mit diesen Gedanken schlief er ein.
    Mitten in der Nacht wachte er auf. Für einen Augenblick wusste er nicht, wo er sich befand. Dann kam die Erinnerung an die letzten Stunden wieder.
    Und dann hörte er Schritte.
    Rechmire lag ganz still auf dem Divan und lauschte. Kein Zweifel: Jemand schlich über das Dach. Er konnte behutsame Fußtritte hören. Doch das Dach bestand nur aus Palmstrünken, Matten und Tonscherben, alles verkleidet mit Lehm. Mit jedem noch so leichten Schritt knarrte und knackte irgendwo etwas.
    Er erhob sich sehr langsam und schwang seine nackten Füße tastend auf den Boden. Vorsichtig machte er den ersten Schritt hin zur Tür Richtung Innenhof. Er wagte kaum zu atmen. Rechmire machte den zweiten Schritt und den dritten und – stieß mit dem Fuß gegen einen der leichten Stühle, der leise polternd auf die Seite fiel. Rechmire fluchte und stürzte aus dem Raum, sprang mit einem Satz durch das kahle Zimmer und kletterte mit der Geschwindigkeit einer flüchtenden Meerkatze die Leiter hoch.
    Die Dachterrasse war leer.
    Rechmire sah sich schwer atmend um. Auf den Dächern der anderen Häuser war ebenfalls niemand zu sehen. Die Straße und die Gassen lagen im hellen Mondlicht verlassen da. Außer dem Flüstern des Nachtwindes und dem Knacken der auskühlenden Felsen war kein Geräusch zu hören. Es war, als wäre Rechmire der einzige lebende Mensch am Ort der Wahrheit.

6. BUCH ROLLE

D AS E RBE K ENHERCHEPESCHEFS
    Jahr 6 des Merenptah, Achet, 7. Tag des Paophi, Set-Maat
    Rechmire erhob sich von seinem Lager, noch bevor Amuns goldener Wagen am östlichen Horizont erschienen war. Er hatte schlecht geschlafen und fühlte sich, als hätte ihn ein Steuereintreiber durchprügeln lassen. Er aß ein wenig Brot und Feigen und holte sich dazu das kühle Wasser vom Dach. Danach fühlte er sich so gestärkt, dass er vor die Tür treten konnte. Rechmire wusste, dass die meisten Menschen im Dorf nur Arbeiter waren. Es sollte einem Schreiber wie ihm nicht schwer fallen, den Mörder unter diesen ungebildeten Menschen schnell zu überführen. Am besten noch heute. Er nahm sich vor, keine zweite Nacht in Set-Maat zu verbringen. Vielleicht würde ihn Baketamun nicht einmal vermissen, wenn er nur einen Tag aus Theben fort war.
    Doch so stark sein Wille und sein Überlegenheitsgefühl auch waren, so nebelhaft waren seine Vorstellungen davon, wie und wo er mit seinen Nachforschungen anfangen sollte. Rechmire entschloss sich daher, zunächst Amun zu befragen. Vielleicht würde ihm der Gott den Weg weisen.
    Er ging langsam durch die menschenleere Straße. Dabei hatte er das Gefühl, als würden ihn tausend Augen beobachten, doch er konnte auch auf den Dachterrassen oder in den Hauseingängen niemanden erblicken. Das Nordtor war schon aufgesperrt und ein verschlafen dreinblickender Medjai hielt Wache. Er glotzte Rechmire mit großen, dummen Augen an wie ein gefangener Nilbarsch, bevor er sich umständlich von seinem Schemel erhob und sich verbeugte. Rechmire ignorierte ihn und schritt hinaus Richtung Amuntempel.
    Er ging in den kleinen Säulenvorhof und hielt abrupt inne: Er war nicht allein. Erstaunt sah Rechmire, dass Kaaper sich an eine Säule angelehnt hatte und unverwandt auf die kleine, bronzebeschlagene Tür starrte, die den Zugang zum Allerheiligsten verschloss. Die Augen des Priesters waren so trüb, dass Rechmire nicht sagen konnte, ob er wirklich

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