Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
nicht finden!«
Kaapers Lachen klang wie das kurze Bellen einer Hyäne und Rechmire konnte hören, dass nicht die Freude, sondern blankes Entsetzen ihm diese Töne entlockt hatten.
»Wenn Osiris das Herz Kenherchepeschefs nicht findet, dann kann es nicht auf die Waage des Totengerichts gelegt werden. Kein Totengericht – kein ewiges Leben. Ich kenne einen berüchtigten Zauberer in Theben, der sich von seinen Anhängern ›Führer der skorpionköpfigen Selqet‹ nennen lässt. Er schreibt solche Sprüche auf Tafeln und verkauft sie gegen einen Deben Silber. Aber natürlich kann jeder, der schreiben kann, so einen Spruch auf eine Tafel pinseln. Wichtig ist nur, dass man sie über seinem Opfer in Scherben zerbricht, denn nur so wird der Zauberspruch wirksam.«
»Irgendjemand wollte Kenherchepeschef nicht nur dieses, sondern auch das ewige Leben nehmen«, sinnierte Rechmire.
»Er wollte ganz sichergehen. Kein Wunder, an diesem Ort.« Kaaper deutete mit einer vagen Geste Richtung Tempel. »Auf dem Berg neben dem Dorf stehen die Gräber der Einwohner. Ich bin sicher, dass sich auch Kenherchepeschef sein Haus der Ewigkeit dort errichtet hat. Siebzig Tage werden sie ihn in Theben balsamieren und für den langen Schlaf vorbereiten, dann wird seine Mumie zurückkehren und für immer hier ruhen. Sollte der Mörder, was doch wahrscheinlich ist, im Dorf leben, müsste er ständig fürchten, dass der Geist des Toten Rache nimmt.«
Der Priester ließ wieder sein kurzes, hartes Lachen hören. »Aber gegen jeden Zauber haben die Götter einen Gegenzauber gesetzt.« Er tastete sich vor und sammelte die Scherben vorsichtig auf. »Morgen früh, wenn Amuns Wagen in jugendlicher Kraft dem östlichen Horizont entsteigt, werde ich in seinem Tempel Wein und Myrrhe opfern. Ich kenne ein Ritual, mit dem Amun die magische Kraft von diesen Scherben nehmen kann. Kenherchepeschef wird hoffentlich doch sein ewiges Leben genießen können. Vielleicht wird uns sein Ka sogar helfen, den Mörder zu finden.«
Rechmire sah sich um und erschrak: Im Tempeltor standen vier schweigende Männer, deren Gesichter hinter Masken des schakalköpfigen Anubis verborgen waren. Sie waren gekommen, um Kenherchepeschefs Körper zu den Balsamierern zu bringen. Er nickte ihnen stumm zu und ging mit Kaaper vor das Heiligtum.
Sie konnten hören, wie die vier Anubisdiener im Innern einen monotonen Singsang anstimmten. Der dünne, betäubende Rauch brennenden Weihrauchs drang bis nach draußen. Nach einer halben Stunde kamen die Männer wieder heraus und trugen den Toten auf den Schultern. Schweigend sahen Rechmire und der Amunpriester zu, wie sie sich auf den Weg nach Theben machten. In einiger Entfernung stand Sennodjem. Die Medjai und die anderen Arbeiter waren nirgends zu sehen.
Rechmire wartete, bis die Anubisdiener außer Sichtweite waren, dann ging er zu Sennodjem hinüber. Kaaper wandte sich dem Amun-Tempel zu, wo er, wie er sagte, die ganze Nacht beten wollte.
»Für heute habe ich genug gesehen«, sagte Rechmire zu Sennodjem und bemühte sich dabei um einen möglichst herrischen Tonfall. »Zeige mir mein Haus.«
Der Zweite Schreiber schluckte offensichtlich eine Bemerkung hinunter, die ihm auf der Zunge gelegen hatte, verbeugte sich schweigend und ging voran.
Als sie durch das Tor geschritten waren, fielen hinter ihnen die schweren Flügel krachend zu. Erschrocken fuhr Rechmire herum und starrte den Medjai an, der sich mit einem großen Schlüssel am Schloss zu schaffen machte.
»Was tust du da?«, rief er ihm verärgert zu. Er hatte das Gefühl, als wäre er in einen riesigen Kerker geworfen worden.
»Er tut, was er tun muss und was schon seit Jahrhunderten so getan wird«, antwortete Sennodjem statt des Soldaten. »Am Ende eines jeden Tages schließen wir uns ein. So sind wir vor den Toten sicher – und die Toten vor uns.« Er lächelte freudlos.
Rechmire verstand nicht, was er damit meinte, doch er wollte sich nichts anmerken lassen. Er folgte Sennodjem bis zum Ende der Hauptstraße, wo sie, gleich dem Nil im Delta, in einem Gewirr kurzer Gassen endete, die bis zur südlichen Mauer führten. Dort stand ein Haus, auf das der Zweite Schreiber wies.
»Es ist dein Heim für die Zeit, die du bei uns verbringen musst«, erklärte er.
Rechmire betrachtete es. Das Haus war einstöckig wie alle anderen auch, der weiße Putz war an drei Stellen eingedunkelt, aber ansonsten schien es gut gepflegt zu sein. Er drückte die rot gestrichene Holztür auf und
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