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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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gewesen, von irgendjemandem entdeckt zu werden. Und außerdem: Wie hätte er von einem Wüstenversteck aus sehen können, dass Kenherchepeschef mitten in der Nacht das Grab des Pharaos aufsuchte?«
    »Es war ein Zufall«, erwiderte der Zweite Schreiber missmutig. »Der Unbekannte kommt nachts aus seinem Versteck – vielleicht, um die ersten Schätze des Pharaos zu stehlen, die seine Diener in das Haus der Ewigkeit getragen haben – und wird von Kenherchepeschef überrascht. Also ersticht er ihn und flieht zurück in die Wüste.«
    »Ich habe Zeichen dafür gefunden, dass Kenherchepeschef seinen Mörder gekannt hat«, entgegnete Rechmire und bemühte sich um ein möglichst boshaftes Lächeln, denn es fiel ihm im Traum nicht ein, Sennodjem zu verraten, welche das waren. »Noch ein Hinweis mehr, der auf einen Menschen aus dem Dorf deutet.«
    Der Zweite Schreiber starrte ihn einige Augenblicke lang wortlos an und überlegte offensichtlich fieberhaft, ob er Rechmire noch länger die gewünschte Information verweigern konnte. Schließlich seufzte er und gab nach.
    »Hier leben sechzig Arbeiter«, erklärte er. »Sie sind, wie Seeleute auf den großen Schiffen, in zwei Wachen eingeteilt – eine Linke und eine Rechte Wache. Die einen arbeiten ausschließlich in der linken, die anderen in der rechten Hälfte des Grabes. So steht keiner dem anderen im Weg. Außerdem spornt es die Männer an, schneller zu arbeiten – es ist jeden Tag eine Art Wettlauf links gegen rechts. Jede Wache wird von einem Vorarbeiter geleitet. Alle Arbeiter haben Frauen, manche Kinder, die fast erwachsen sind. Wir haben einen Arzt, ein Dutzend Medjai, mindestens ebenso viele Sklaven – und den Priester Kaaper, der seit zehn Tagen bei uns ist. Also alles in allem rund zweihundert erwachsene Menschen.«
    Rechmire nickte anerkennend. Sennodjem war ein gewissenhafter Schreiber, er musste irgendwo penibel geführte Listen haben. Es war ihm ebenfalls aufgefallen, dass der Zweite Schreiber nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen des Dorfes mitgezählt hatte. Offensichtlich traute er zumindest manchen von ihnen zu, Kenherchepeschef mit einem Dolchstoß in die Brust in das westliche Reich zu schicken. Andererseits hatte er sich und seine Familie bei der Zählung ausgenommen.
    »Eine hohe Zahl – aber nicht zu hoch!«, entgegnete Rechmire. Er nahm sich vor, Sennodjem etwas unter Druck zu setzen. »Ich hoffe, dass ich den Mörder finden werde. Sollte ich nach einigen Tagen jedoch noch immer keine Spur haben, werde ich Mentuhotep einfach vorschlagen, alle Männer und Frauen des Dorfes den Krokodilen vorzuwerfen. So können wir wenigstens sicher sein, den Frevler zu bestrafen.«
    Der Zweite Schreiber warf ihm einen bösen Blick zu. »Niemand im Lande Kemet baut die Häuser der Ewigkeit so prachtvoll wie wir. Findest du den Mörder nicht, wird der Tschati tausendmal lieber
dich
den Krokodilen vorwerfen, als ein Urteil zu fällen, das sein eigenes Grab und das des Pharaos für immer unvollendet ließe!«
    Rechmire schluckte und wechselte das Thema.
    »Warum könnte jemand aus dem Dorf einen Grund gehabt haben, Kenherchepeschefs Ka und Ba zum westlichen Horizont zu schicken?«, fragte er betont gleichmütig.
    Sennodjem lachte. »Kenherchepeschef kam im Alter von sechs Jahren in das Dorf. Ramose, der damalige Erste Schreiber, hat ihn irgendwann aus Theben mitgebracht. Amun allein weiß, wie und wo er ihn gefunden und warum er ausgerechnet diesen Jungen aufgesammelt hat. Ramose hatte keine eigenen Kinder, also hat er Kenherchepeschef adoptiert. Aber du weißt ja, wie das mit diesen Bälgern ist, bei denen du weder Samen noch Feld kennst, auf dem sie gepflanzt worden sind: Sie gleichen glänzenden Masken. Von Ferne denkst du, sie sind aus Gold, doch wenn du näher trittst, siehst du, dass es nur bemaltes angefaultes Holz ist.«
    Rechmire ballte die Fäuste und wurde rot. Solche Sprüche hatte er bis zum Überdruss gehört. Nachdem sie ihn an Raia und Meresanch zur Adoption verkauft hatten, hatte er nie wieder etwas von seinen leiblichen Eltern gehört noch hören wollen. Er wusste nicht einmal, ob sie noch lebten.
    Doch Sennodjem hatte nichts von seiner Erregung gespürt und fuhr böse lachend fort: »Kenherchepeschef war außerdem vierundzwanzig Jahre lang der Herr des Dorfes! Da sammelt sich so viel Missgunst an wie Schlamm nach vierundzwanzig Nilhochwassern: Arbeiter, die sich ungerecht bezahlt fühlten oder gegen ihren Willen von Kenherchepeschef zu«, er

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