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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Strophen korrekt zu wiederholen. Doch schon nach wenigen Augenblicken war Kaapers Stimme wieder verhallt. Er senkte die Arme und wandte den Blick vom Himmel zurück auf seinen Begleiter.
    »Amun wird dich beschützen«, murmelte er. »Und vergiss nicht, Sennodjem den nötigen Respekt zu erweisen. Gut möglich, dass aus dem Zweiten Schreiber bald der Erste Schreiber wird, und dann ist Sennodjem für viele kommende Jahre der mächtigste Mann am Ort der Wahrheit. Dann wird er persönlich mit Userhet, Mentuhotep und all den anderen Großen Thebens verhandeln, wenn sie irgendwo hier in der Nähe ihr Haus der Ewigkeit errichten wollen. Er wird ihnen dabei den einen oder anderen Gefallen erweisen – und sie wiederum werden sich dafür erkenntlich zeigen. Der Erste Schreiber am Ort der Wahrheit hat mehr Macht als jeder andere Dorfvorsteher in Beiden Reichen. Ich glaube sogar, dass er mehr Macht hat als mancher eingebildete Höfling, der die Gnade hat, die Luft zu atmen, die der Pharao geatmet hatte.«
    Rechmire verneigte sich vor dem Priester. »Ich danke dir für deine klugen Ratschläge. Du hast Recht: Amun hat dich zum richtigen Zeitpunkt an den Ort der Wahrheit geschickt.«
    Dann drehte er sich um und ging. Doch am Eingang zum Vorhof überkam ihn ein Gedanke, als hätte Amun einen Blitz geschleudert. Abrupt wandte er sich noch einmal um.
    »Seit wann ist Sennodjem Zweiter Schreiber?«, fragte er Kaaper.
    »Seit acht Jahren«, antwortete der Priester.
    »Acht Jahre, in denen Sennodjem hoffen konnte, irgendwann Kenherchepeschefs Position zu erben«, murmelte Rechmire. »Denn der Erste Schreiber hat keine Familie, keinen Sohn, dem er das Amt übertragen lassen könnte. Doch vor vier Monaten heiratet Kenherchepeschef doch noch überraschend …«
    »… und vielleicht hätten ihn die Götter auf seine alten Tage mit einem Sohn beschenkt«, vollendete der Priester.
    »Kenherchepeschef hätte alles getan, um den Tschati davon zu überzeugen, seinen Sohn dereinst zum Ersten Schreiber zu ernennen«, fuhr Rechmire fort. »Und da der Erste Schreiber, wie du sagst, den Großen Thebens manchen Gefallen erwiesen hat, werden sie ihm diesen Wunsch kaum abschlagen. Zumal es ja auch im Interesse des Tschati liegt, wenn die vertrauensvollen Verhandlungen über die Ausgestaltung seines eigenen Grabes in den Händen derselben Familie verbleiben. Und Sennodjem wäre für immer Zweiter Schreiber geblieben.«
    Kaaper lächelte dünn und deutete eine Verbeugung an.
    »Mentuhotep wäre stolz auf deinen Scharfsinn«, entgegnete er leise.
    Rechmire eilte zurück Richtung Dorf. Doch noch rechtzeitig, bevor er das Tor erreicht hatte, fiel ihm ein, dass sich unziemliche Hast nicht mit seiner Würde vertrug. Also atmete er tief durch und ging gemessenen Schrittes die einzige Straße hinunter. Inzwischen hatten sich auf vielen Dachterrassen die Familien zum Morgenmahl versammelt. Sie genossen die letzte kühle Brise, bevor Amuns Wagen so hoch gestiegen sein würde, dass sein Glanz und seine Hitze die Dächer in Backöfen verwandelte. Die Männer trugen kurze Lendentücher aus einfachem Leinen oder grober Wolle, viele hatten sich das Haupthaar, manche gar den Bart nur wirr oder gar nicht geschoren. Rechmire, dem, wie jedem wohlerzogenen Mann im Lande Kemet, auch das kleinste Härchen in seinem Gesicht ein Gräuel war, rümpfte vor Verachtung die Nase. Die Frauen waren in einfache Gewänder gehüllt, viele trugen auffallend große Armreifen, Ketten und Ringe aus billigem Kupfer. Die meisten Kinder waren nackt. Die Menschen unterhielten sich laut, manche warfen derbe Scherzworte von Dach zu Dach. Auf einigen Häusern hockten Katzen und dressierte Affen, die sich wie selbstverständlich an Brot, Datteln und Wasser gütlich taten. Der eine oder andere Arbeiter trank auch morgens schon Bier aus einem großen Krug und hatte einen roten Kopf.
    Als Rechmire die Straße hinunterschritt, gafften ihn die meisten Bewohner des Dorfes an, einige zeigten sogar mit dem Finger auf ihn. Andere dagegen taten, als ob sie ihn nicht sehen würden, und wandten ihren Blick auffällig von der Straße weg. Niemand grüßte ihn.
    Rechmire ignorierte sie und schritt die Straße hinunter, die ihm allerdings jetzt länger vorkam als auf dem Hinweg.
    Schließlich hatte er das Ende erreicht und keine Schwierigkeiten, das Haus des Sennodjem zu finden. Auch der Zweite Schreiber saß mit seiner Frau beim Morgenmahl auf der Dachterrasse.
    Sennodjem hatte ihn schon lange zuvor erblickt,

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