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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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schweigen, Ptah ist mein Zeuge.«
    Der Zweite Schreiber nickte. »Für Gold und Silber tat Kenherchepeschef alles. Nicht, weil er deren edlen Schimmer liebte, wie es manche Männer gibt, die diesen Schätzen verfallen sind. Sondern weil er in Theben dafür vergilbte Papyri kaufen konnte. Er liebte alte Weisheitstexte, Hymnen zu Ehren der Pharaonen, Herrschaftslisten und ganz besonders alle Traumbücher. Er muss Dutzende, wenn nicht Hunderte von ihnen haben. Gab man ihm Gold oder gar einen seltenen Papyrus, dann konnte man dafür fast alles von ihm verlangen. Vielleicht hat jemand, ein hoher Herr aus Theben gar, Kenherchepeschef so viel geboten, dass er in das Grab Merenptahs schlich, um …«
    »… daraus etwas zu stehlen«, vollendete Rechmire, dem plötzlich einiges klar zu werden schien. »Eine Truhe, einen Ballen feinsten Leinens, irgendetwas – Hauptsache, es gehörte zum Schatz des Pharaos. Jemand anderes wollte einen Schatz, der für den Pharao bestimmt war, in sein eigenes Grab schmuggeln, um sich für alle Ewigkeit an einem Besitz zu erfreuen, den kein gewöhnlicher Sterblicher im Lande Kemet je sein Eigen hatte nennen können.«
    »Es gibt kaum ein schlimmeres Vergehen, als den Pharao zu bestehlen«, sagte Sennodjem leise, »jedoch Kenherchepeschef wäre der Mann gewesen, so etwas zu tun.«
    Sennodjem ließ Rechmire spüren, dass er jetzt aufbrechen wollte. Also verabschiedete sich Rechmire, der sowieso nicht wusste, was er den Zweiten Schreiber noch hätte fragen sollen. Auf der Straße versammelten sich die Männer des Dorfes. Alle trugen Säcke aus Leinen oder Leder über der Schulter; manche hatten schwere hölzerne Hämmer in den Händen, andere schleppten in Körben kleine Tontöpfe mit farbigem Pulver. Frauen und Kinder standen auf den Dachterrassen oder in den Eingangstüren ihrer Hauser, riefen ihnen Scherze zu, lachten und winkten, während die Männer sich zu beiden Seiten der Straße in zwei Reihen aufstellten – die beiden Wachen, vermutete Rechmire. Anschließend gingen Sennodjem und zwei Männer, wahrscheinlich die Vorarbeiter, die Reihen ab. Der Zweite Schreiber hielt dabei eine große, flache Kalksteinplatte in den Händen, auf der er hin und wieder mit einer Schreibbinse etwas notierte.
    Rechmire zählte die beiden Reihen schnell durch: sechsundzwanzig Mann auf der linken und siebenundzwanzig Mann auf der rechten Seite. In beiden Wachen gab es also Arbeiter, die heute nicht angetreten waren. Er hatte aber keine Ahnung, warum sie fehlten oder ob sie deswegen irgendwelche Konsequenzen zu befürchten hatten.
    Sennodjem baute sich vor den beiden Wachen auf und hielt eine kurze Ansprache, von der Rechmire kein Wort verstand, weil er sich im Hintergrund hielt. Dann marschierten die Männer los und verließen durch das Tor das Dorf. Bald waren sie zwischen den Felsen verschwunden. In der Siedlung schienen nur noch Frauen und Kinder zurückgeblieben zu sein – und die Medjai, die faul am Tor im Schatten saßen.
    Rechmire beschloss, dass es jetzt an der Zeit sei, die Wächter des Ortes der Wahrheit zu fragen, was sie eigentlich in der Mordnacht gemacht hatten.
    Das Quartier der Medjai lag direkt neben dem Tor und war karg eingerichtet wie alle Kasernen im Lande Kemet: Ein schmuckloses Haus, das etwas größer war als die meisten anderen im Dorf, das sich jedoch zwölf Krieger teilen mussten. Ein Wächter führte Rechmire ins Innere des Hauses und dieser erblickte Schlafmatten auf dem Boden aus festgetretener Erde, ein paar Truhen, Tische und Stühle und die Waffen der Medjai – Knüppel, bronzene Streitäxte und Schwerter –, die bündelweise in kupfernen Halterungen an den Wänden links und rechts des Eingangs hingen. Es roch sauer nach Bier, Zwiebeln und Schweiß.
    Er wurde zu einem riesigen Nubier geführt. Der Krieger hatte eine Haut, so dunkel wie Ebenholz – außer an den Stellen seiner muskulösen Unterarme, über die sich die langen Narben schlecht verheilter Schwerthiebe erstreckten. Auch quer über seine Stirn zog sich die an den Rändern gezackte Linie einer alten Wunde, was ihm das Aussehen gab, als hätte sich die Schädeldecke irgendwie um einen Finger breit vom Gesicht abgelöst. Er hatte nur einen kurzen, verschmutzten Lendenschurz an und Sandalen, deren Leder bereits eingerissen war. Er trug einen langen bronzenen Dolch nach Art der Nubier, mit dünnen Lederriemen festgebunden am Oberarm und nicht, wie bei Soldaten sonst üblich, am Gürtel.
    Als er Rechmire erblickte,

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