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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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»Wo waren deine Medjai, die nachts am Tor stehen sollten? Wo waren die, die nachts auf den Felsen und im Tal selbst Wache stehen sollten? Warum hat niemand Kenherchepeschef gesehen? War vielleicht gar keiner von euch draußen in jener Nacht?« Er sprach leiser weiter. »Fürchtest du dich so sehr vor der Dunkelheit, Djehuti, wie ein Fischweib von Thebens Markt?«
    Der Medjai mit der Zwiebel hielt mitten im Kauen inne, sein Kamerad mit dem Dolch in der Hand erstarrte. Für einen langen Augenblick war es totenstill im Raum. Dann schob sich der hünenhafte Nubier langsam nach vorn, bis sein Gesicht nur noch eine Hand breit von dem Rechmires entfernt war.
    »Hör mir gut zu, Schreiber, der du mit einer Binse, aber nicht mit dem Schwert umgehen kannst«, flüsterte er mit heiserer Stimme. »Ich war Soldat der Armee des Pharaos. Nach dem Kriegszug gegen die Libyer hat mir Merenptah selbst eine Kette aus goldenen Fliegen zugeworfen, weil ich die Feinde so unbarmherzig und unermüdlich verfolgt habe wie eine Fliege, die sich auch von keinem Schlag verjagen lässt. Ich war Standartenträger – das ist ein Rang, den nur die Tapfersten der Tapferen erreichen. Und dann machte mich der Pharao zum Führer der Medjai von Set-Maat, weil er wünschte, dass ich es bin, der sein Haus der Ewigkeit bewacht.« Er klopfte sich stolz auf die Brust.
    »Doch«, fuhr er noch leiser fort und grinste plötzlich wieder verschlagen, »selbstverständlich habe ich Angst.«
    Der Nubier lachte rau, als er Rechmires verblüfften Gesichtsausdruck bemerkte. »Der Ort der Wahrheit ist der Ort der Toten, der Priester und der Magier. Hier lauern Feinde, denen kein Soldat je in der Schlacht gegenüberstehen musste: Götter und Dämonen. Die kobragestaltige Göttin Meretseger wacht über das Tal der toten Pharaonen, Selqet, die skorpionköpfige Göttin beschützt es, Sehakek und tausend andere Dämonen spuken dort.
    Hast du nie gehört, dass dich der Fluch trifft, wenn du ein Grab schändest? Hast du nie einen der Zaubersprüche gelesen, die am Zugang zu jedem Haus der Ewigkeit eingelassen sind? ›Wer dies betritt, den soll Osiris holen; Isis soll seine Frau holen und Horus seine Kinder!‹
    Und da erwartest du, dass ich meine Medjai nachts hinausschicke? Nachts, wo die Dämonen umgehen, die man nicht sehen, aber sehr wohl hören kann und die dir nicht nur dieses, sondern auch dein ewiges Leben rauben?«
    Rechmire brauchte ein paar Augenblicke, bis er wirklich verstanden hatte, was Djehuti meinte. »Das heißt, dass nicht nur in der Nacht des Mordes, sondern niemals nach dem Untergang von Amuns goldenem Wagen ein Medjai am Ort der Wahrheit Wache hält?«, fragte er ungläubig.
    »So ist es«, bestätigte der Nubier knapp. »Und du wirst auch im ganzen Lande Kemet keinen Soldaten finden, der dies täte.«
    Rechmire erkannte enttäuscht, dass ihm die Medjai bei seinen Nachforschungen nicht helfen könnten – selbst wenn sie es, was er bezweifelte, wirklich gewollt hätten.
    »Wenn du schon nicht gesehen hast, was Kenherchepeschef in jener Nacht tat«, versuchte er einen letzten Anlauf, »so hast du vielleicht ja eine Ahnung, warum er überhaupt zum Grab des Merenptah geschlichen ist.«
    »Er ging dorthin, um seinen Dämon zu treffen«, antwortete Djehuti.
    Rechmire starrte den Nubier verständnislos an, doch der schien keine Lust zu haben, ihm noch mehr zu sagen.
    Als er das Haus der Medjai verließ, stand Amuns Wagen im Zenit. Das Dorf war schattenlos, die hell verputzten Häuser schimmerten blässlich gelbweiß in der Mittagssonne und die Luft flirrte so stark, dass Rechmire für einen Moment dachte, dass sich die Dämonen nun auch tagsüber unter die Menschen gewagt hatten. Aus irgendeinem versteckten Innenhof erklang das klagende Meckern einer Ziege, doch es war kein lebendes Wesen zu sehen, weil sich alle in das kühle Halbdunkel ihrer Häuser zurückgezogen hatten.
    Rechmire schlich sich zurück zu seiner Unterkunft. Als er die Tür aufgedrückt hatte, erkannte er, dass in seiner Abwesenheit jemand dort gewesen sein musste: Mitten im Raum standen auf drei grob gefertigten tönernen Schalen ein Krug mit Bier, zwei Brotlaibe aus Emmerweizen, ein ausgenommener Nilbarsch, Bohnen, Zwiebeln, Granatäpfel und Feigen – genug für ein Mittags- und ein Abendmahl.
    »Immerhin lässt mich Sennodjem nicht verhungern«, flüsterte Rechmire anerkennend und seine düstere Laune besserte sich. Er brachte die meisten Vorräte in den kühleren unterirdischen Raum,

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