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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Vorzüge aufgefallen waren.
    »Darf ich mir die Bibliothek deines Mannes ansehen?«, fragte er höflich. Vielleicht kam er hier dem Geheimnis des Ersten Schreibers näher. Hunero nickte. Sie schien darüber erleichtert zu sein, dass er das Thema gewechselt hatte. »Lies dir alle Rollen durch«, sagte sie. »Viele Papyri sind von Kenherchepeschefs eigener Hand beschrieben. Du wirst dort Totenbücher finden, Traumbücher und andere weise Schriften, Kopien von Briefen, die ihm wichtig waren, und einige Inschriften der großen Tempel von Theben, die er abgeschrieben hat. Ich bin hinten im Hof und werde Brot backen. Mir ist erst in zehn Tagen wieder eine Sklavin zugeteilt. Wenn mich Sennodjem bis dahin nicht aus dem Dorf geworfen hat«, setzte sie hinzu.
    »Wenn Sennodjem bis dahin überhaupt noch Schreiber ist«, erwiderte Rechmire trocken.
    Sie schenkte ihm ein verschwörerisches Lächeln. »Viel Glück bei deiner Suche nach den Geheimnissen«, sagte sie und verschwand in der Tür Richtung Hof.
    Rechmire blickte ihr nach, dann wandte er sich den großen Tonkrügen zu, in denen der Erste Schreiber seine Texte verwahrt hatte. Er entrollte auf gut Glück einen Papyrus und hatte Mühe, die mächtigen, geschwungenen Hieroglyphen zu entziffern. Kenherchepeschef musste schnell und sorglos geschrieben haben; Tintenkleckse und -schlieren, wo er unachtsam mit der Hand über den noch nicht eingetrockneten Text gestrichen hatte, befleckten den vom Alter schon gelb und brüchig gewordenen Papyrus. Andererseits konnte Rechmire keinen einzigen Schreibfehler entdecken. Kenherchepeschef war ein sicherer Schreiber, jemand, der seine Gedanken in aller Eile auf Papyrus werfen konnte oder das abschrieb, was ihm gerade gefiel. Es war ihm offensichtlich nur auf den Inhalt angekommen, nicht auf die vollendete Form. Rechmire rollte den ersten Papyrus weiter auseinander und las:
    »Das Werk vieler Menschen ist nichts, Amun ist
      besser als sie!
Bis hierher bin ich gelangt auf deinen Rat hin,
Amun, und bin nie von deinem Rat abgewichen;
jetzt bete ich am Ende der Welt,
doch meine Stimme soll in Theben widerhallen!«
    Rechmire kannte den Text nur zu gut. Er hatte ihn einst im Haus des Lebens unter den Augen seiner gestrengen Lehrer bis zum Überdruss abschreiben müssen: eine Hymne auf die Schlacht von Kadesch, den glorreichen Sieg, den der große Ramses über die Hethiter errungen hatte. Alle Tempelwände hatte der Pharao mit diesem Loblied schmücken lassen, alle Häuser der Buchrollen bewahrten Dutzende von Exemplaren auf. Der Hymnus war allgegenwärtig – so allgegenwärtig, dass auch diejenigen, die keine einzige Hieroglyphe entziffern konnten, von diesem Sieg gehört hatten. Rechmire vermutete, dass Kenherchepeschef den Hymnus entweder aus einem Haus der Buchrollen in einem der Tempel oder sogar direkt von der großen Wand des Tempels von Karnak abgeschrieben hatte.
    Er entrollte einen anderen Papyrus und las eine Strophe, die ihm noch vertrauter war als das Lied der Kadeschschlacht:
    »Was man benennen kann, das kann man wissen,
was man aber nicht benennen kann,
das muss man leben und glauben.«
    Es war ein Totenbuch. Die Hieroglyphen waren zu kleinen, sauber ausgerichteten Quadraten geordnet, die wiederum in langen Spalten von oben nach unten zu lesen waren – das war nicht die Handschrift Kenherchepeschefs, sondern die eines berufsmäßigen Totenbuchschreibers, der so etwas für ein paar Deben Kupfer jeden Tag anfertigte.
    »Das hätte von mir kommen können«, murmelte Rechmire und grinste verlegen.
    Als er den Papyrus umdrehte, sah er, dass die Rückseite mit einigen flüchtigen Zeilen in einer sehr feinen, mit roter Tinte ausgeführten Schrift versehen war.
    »Da ich vorbeigehe, schaut er mich an,
ich juble in meinem Innern.
Oh, wie froh ist mein Herz vor Freude,
Geliebter, seit ich dich sah.«
    Rechmire starrte lange auf den Text und spürte, dass ihm irgendetwas daran bedrohlich vorkam. Er versuchte, sich zu erinnern, wo er ihn schon einmal gelesen hatte. Schließlich kam er darauf, dass es ein Auszug aus den »Sprüchen der Herzensfreude« war: Lieder, in denen junge Männer und Frauen abwechselnd die Reize ihrer Geliebten priesen. Es waren kleine Lieder, harmlos, romantisch und manchmal etwas frivol. Er selbst hatte eines kopiert, als er dreizehn Jahre alt gewesen war – mit unsicheren Hieroglyphen und einigen Fehlern zwar, jedoch stolz darauf, der Tochter eines Hafenarbeiters aus der Nachbarschaft ein selbst

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