Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
mit weit ausgreifenden Schritten auf zum nördlichen Ende des Tals.
Rechmire blickte ihnen lange nach und wusste nicht recht, was er von diesem Zornausbruch halten sollte. Der Nubier war abergläubisch wie ein altes Waschweib. Doch andererseits war er ein Mann, der in jahrelangen Kriegen vielleicht einhundertmal sein Leben riskiert und stets gewonnen hatte. War es wirklich klug, seine Meinung als so wertlos abzutun, als sei sie wie das Geschnatter eines dressierten Pavians?
Rechmire war sich bewusst, dass ihn Sennodjem von seinem schattigen Platz aus die ganze Zeit beobachtet hatte, doch er wollte sich keine Blöße geben. Also drehte er sich nicht zu ihm um, sondern tat so, als hätte er ihn nicht bemerkt. Betont deutlich zuckte er mit den Achseln, als würde ihn das Geschwätz des Medjaiführers gleichgültig lassen; dann machte er sich auf den Weg zurück zum Dorf.
Unterwegs kam er an der Ansammlung primitiver Hütten vorbei, in denen die Arbeiter während der Woche übernachteten. Er fand die Sklavin, im schmalen Schatten neben einer Wand sitzend. Tamutnefret fächelte sich mit einem alten, braun gewordenen Palmblatt Luft zu und erhob sich, als sie ihn erblickte. Sie holte aus einer Hütte einen Krug kühlen Wassers, ein Brot und mehrere Feigen hervor.
»Du wirst Hunger haben«, sagte sie.
Doch bevor sie das Brot für ihn brach, schüttete sie etwas Wasser über einen Leinenstreifen und wusch ihm damit Gesicht und Hände. Erst da bemerkte Rechmire, dass seine verschwitzte Haut von einer dünnen Schicht aus gelbem Steinstaub bedeckt war, sodass er schon beinahe so aussah wie die Männer, die das Geröll hinausschleppen mussten. Er schloss die Augen und genoss das kalte Wasser auf seiner Haut und mehr noch den sanften Druck von Tamutnefrets Händen. Drei Tage lang war sie seine Sklavin. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, seine Rechte als Herr auszunutzen, sie in die nächstgelegene Hütte zu führen und sich dort an ihrem Körper zu erfreuen. Doch dann dachte er an Baketamun. Seine Lust wurde noch mehr entflammt, als er in seinem Geist ihr lächelndes Gesicht und ihren verführerischen Körper heraufbeschwor – aber zugleich wurde ihm klar, dass er der Tochter des Hohepriesters so sehr verfallen war, dass er sie nicht betrügen würde. Nicht einmal mit einer Sklavin und nicht einmal dann, wenn sie niemals etwas davon erfahren würde.
»Wie heißt du?«, fragte er die Sklavin, während er sich die erste Feige in den Mund schob.
Sie sah ihn überrascht und etwas misstrauisch an. »Du kennst meinen Namen, Herr«, antwortete sie vorsichtig.
Rechmire lächelte sie aufmunternd an. »Du stammst nicht aus dem Lande Kemet«, sagte er. »Irgendjemand hat dir den altehrwürdigen Namen Tamutnefret gegeben, weil man es bei uns nicht liebt, fremde Namen auszusprechen. Aber ich wette einen Deben Silber, dass du nicht unter diesem Namen geboren worden bist.«
Zum ersten Mal sah er die Sklavin lachen. »Der Tschati hat eine gute Wahl getroffen, als er dir befahl, den Tod unseres Ersten Schreibers zu untersuchen«, rief sie. »Das hätte ich gar nicht gedacht«, fuhr sie fort und wurde dann rot.
»Was hattest du denn gedacht?«, forschte Rechmire nach, leicht beleidigt.
»Dass du nichts weiter bist als ein junger Schreiber, Herr, so wie es viele von ihnen im Palast des Tschati und noch mehr am Hofe des Pharaos gibt: sehr jung, sehr gebildet, sehr ehrgeizig – und sehr, sehr ahnungslos von all dem, was das Leben wirklich ausmacht. Verzeih mir, dass ich das so direkt sage.«
Er nickte. »Schon gut. Ich habe dich ja ausdrücklich darum gebeten, mir alles zu sagen, was dir auffällt.« Er bemühte sich, nicht allzu eingeschnappt zu klingen, obwohl ihn die Bemerkung der Sklavin in seiner Ehre getroffen hatte.
»Ich hieß einst Kede«, sagte sie plötzlich und lächelte ihn schüchtern an. »Ich bin im Reich der Hethiter geboren – wenn ich mich auch nicht mehr an die Stadt erinnern kann, in der meine Eltern lebten. Ich weiß nur noch, dass sie arm waren und mich zu einem Hafen brachten, als ich sechs Jahre alt war. Dort verkauften sie mich an Sklavenhändler aus Kreta, die mit mir und vielen anderen Kindern bis Memphis segelten, wo uns ein Verwalter des Pharaos kaufte.« Die Stimme der Sklavin klang jetzt sehr gleichmütig. »Ich musste auf einem der Landgüter Merenptahs bei Theben arbeiten, später schickte mich ein Verwalter zum Ort der Wahrheit. Seitdem bin ich hier.«
Rechmire nickte und schwieg. Sein
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