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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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geschriebenes Liebesgedicht überbringen zu können.
    Rechmire grübelte weiter – und schlug sich plötzlich vor die Stirn. »Thot soll mich mit der Peitsche hundertmal auf den Rücken schlagen, dass ich so blind sein konnte!«, fluchte er. Dann hielt er den Papyrus höher bis unter den Fensterschlitz in der Wand, um ihn besser lesen zu können. Kein Zweifel: Er kannte die Handschrift. Es war dieselbe, die den Verfluchungstext auf den acht Tonscherben geschrieben hatte, die er auf Kenherchepeschefs totem Körper gefunden hatte.
    Er rollte den Papyrus wieder zusammen und legte ihn auf einen kleinen Tisch, weil er ihn mitnehmen wollte. Dann suchte er die nächsten Papyri hastig nach Texten in derselben Handschrift durch, die ihm vielleicht den Namen des Verfassers verraten würden. Er fand eine zweite Kopie der Hymne auf die Kadeschschlacht, diesmal von der sauberen, allerdings nicht fehlerfreien Hand eines Schreibers, der sich in einem vorangestellten kleinen Text selbst als »Amunpanefer, Annalenschreiber in Piramesse, im zehnten Jahr des Ramses« zu erkennen gab – was bedeutete, dass der Text schon zweiundsechzig Jahre alt war.
    Auf der Rückseite entdeckte er einige Zeilen in Kenherchepeschefs grober Handschrift:
    »Wenn sich ein Mann in seinem Traum sieht, wie er einen alten Mann zum Haus der Ewigkeit trägt – gut. Es bedeutet baldigen Reichtum.
    Wenn sich ein Mann in seinem Traum sieht, wie er selbst in den Spiegel auf sein eigenes Antlitz blickt – schlecht. Es bedeutet, dass er sich bald eine neue Frau suchen muss.
    Wenn sich ein Mann in seinem Traum sieht, wie er aus einem Fenster blickt – gut. Es bedeutet, dass sein Flehen von einem Gott erhört wird.
    Wenn sich ein Mann in seinem Traum sieht, wie er nackt und mit aufgerichtetem Glied dasteht – schlecht. Es bedeutet einen Sieg für seine Feinde.
    Wenn sich ein Mann in seinem Traum sieht, wie er durch die Stadt Busiris geht – gut. Es bedeutet, dass er ein glückliches, hohes Alter erreichen wird.
    Gepriesen seien diese Sprüche und die zehntausend anderen Weisheiten, die Thot selbst mir diktierte, seinem Diener, dem Schreiber Chnumhotep. Gegeben im 22. Jahr des Cheops, dem Jahr, in dem der Horizont des Cheops vollendet wurde.«
    Rechmires Hand zitterte. Noch nie hatte er Sprüche aus dem Traumbuch des Chnumhotep gelesen. »Horizont des Cheops« war der Name der Großen Pyramide, ihre Vollendung lag, soweit er wusste, weit über eintausend Jahre zurück. Irgendwann in den Jahrhunderten danach war das Traumbuch des Chnumhotep aus allen Häusern der Buchrollen verschwunden – er vermochte nicht mehr den Grund dafür zu erinnern. Also woher hatte Kenherchepeschef diese Sprüche kopieren können? War tatsächlich wahr, was Hunero ihm gleichmütig erzählt hatte, dass er sogar ein vollständiges Exemplar besessen hatte? Und wo war es jetzt?
    Er rollte auch diesen Papyrus zusammen, um ihn mitzunehmen. Danach durchsuchte er systematisch alle Krüge. Er fand andere Traumbücher, Schriften von Magiern, Sammlungen von Sprüchen gegen Dämonen und böse Träume, Totenbücher, einige weitere Liebeslieder aus den Sprüchen der Herzensfreude (aber alle in Kenherchepeschefs Handschrift) sowie eine große Sammlung von Tatenberichten und Lobliedern der Pharaonen Haremhab, Sethos und Ramses. Außerdem entdeckte er eine Rolle, die doppelt so breit war wie normale Papyri: der Plan, der die Lage aller Pharaonengräber von Set-Maat verzeichnete. Schnell rollte er dieses Dokument wieder zusammen, denn es war allen Untertanen des Pharaos verboten, den genauen Ort der alten herrschaftlichen Häuser der Ewigkeit zu kennen. Einen weiteren Text in der Handschrift der Verfluchungstafel fand Rechmire nicht.
    Schließlich öffnete er die letzte Kiste, in der acht Tonkrüge standen. In ihnen steckten Briefe, die für Kenherchepeschef offensichtlich so wichtig gewesen waren, dass er sie kopiert hatte. Die meisten waren an den Tschati oder an verschiedene Verwalter des Vermögens des Pharaos gerichtet und betrafen Bitten um Material für den Bau des Grabes und zur Versorgung der Arbeiter. Doch als er das letzte Schreiben aus dem Krug zog, pfiff Rechmire durch die Zähne.
    »Der Schreiber Kenherchepeschef von Set-Maat grüßt seinen Herrn, den Türöffner des Himmels, den Ersten Priester des Amun, Userhet. Ich wünsche dir ein langes Leben, Wohlstand und Gesundheit!«
    Mehr als diese Anrede war nicht kopiert worden. Doch allein die Tatsache, dass Kenherchepeschef an den

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