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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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auftauchte. Nach einem tiefen Schluck Wasser entrollte er den mitgebrachten Papyrus und zeigte ihn dem Zweiten Schreiber. »Was hältst du davon?«, fragte er und blieb dabei absichtlich vage.
    Sennodjem las den Text, wobei sich seine Lippen bewegten, da er jedes Wort stumm mitsprach. Als er fertig war, glotzte er einige Zeit ratlos auf die Rolle und schüttelte dann den Kopf.
    »Es ist belanglos«, sagte er schließlich. »Wenn es darin eine geheime Botschaft gibt, dann kann ich sie nicht erkennen.«
    »Es ist nur ein harmloses Liebesgedicht«, erklärte Rechmire.
    »Ich fand es in der großen Sammlung Kenherchepeschefs und möchte gerne wissen, wer es geschrieben hat. Ich bin nur neugierig, nichts weiter. Erkennst du die Handschrift wieder?« Sennodjems Unterlippe begann wieder zu zittern. »Nein«, antwortete er und schüttelte dann entschieden den Kopf.
    »Nein, diese Schrift habe ich noch nie gesehen.«
    Rechmire starrte den Zweiten Schreiber an und war sich plötzlich sicher, dass er log. Er unterdrückte einen Fluch und bemühte sich, seiner Stimme einen möglichst freundlichen Tonfall zu geben. »Das ist schade«, entgegnete er, »aber wahrscheinlich sowieso unwichtig. Denn du wirst wohl Recht haben: der Text ist belanglos. Sollte dir doch noch einfallen, dass du diese Handschrift womöglich schon einmal gesehen hast, dann wäre ich dir dankbar, wenn du mir Bescheid sagen könntest.«
    »Ich muss die Listen für den Verwalter des Pharaos fertig machen«, erwiderte Sennodjem schroff. »Kann ich noch etwas für dich tun?«
    Rechmire ärgerte sich über diesen kaum verhüllten Rauswurf, doch er rang sich ein Lächeln ab. »Du hast mir schon sehr geholfen«, presste er mit mühsamer Höflichkeit hervor.
    An der Tür trat Sennodjem plötzlich dicht an ihn heran. »Ich will endlich Ruhe im Dorf haben«, zischte er. »Ich will, dass jeder Mann an seinem Platz steht und die Arbeit tut, die ihm die Götter zugewiesen haben. Das ist Maat. So war es seit uralten Zeiten und so soll es bis in alle Ewigkeit weitergehen. Jeder, der dieses Gleichmaß stört, ist ein Frevler – und du weißt, was Frevlern droht. Denk an die siebte Stunde im Pfortenbuch!«
    Dann schob er ihn nach draußen auf die Straße und knallte die Tür zu.
    Rechmire blickte auf das rot bemalte Holz und schüttelte verärgert den Kopf. Das Pfortenbuch beschrieb das Jenseits, das wie die zwölf Stunden der Nacht war. In der siebten Stunde saß der Totenrichter Osiris auf seinem von der Mehenschlange bewachten Thron über die Frevler zu Gericht – jene Sünder, deren Herz schwerer war als die Feder der Maat, jene, denen ewige Verdammnis drohte. Sie wurden an die Pfähle des Geb gebunden und von Dämonen gequält – vom Zerquetscher, vom Fürchterlichen, vom Kopfabschneider. Osiris ließ die Köpfe der Frevler abhacken, dann steckte er ihnen brennende Ölfackeln auf den Hals. Für alle Zeiten mussten die Sünder dann als lebende, kopflose Fackeln durch das Jenseits irren.
    »Sennodjem, du fette Hyäne«, murmelte Rechmire und wandte sich vom Haus des Zweiten Schreibers ab. »Du wirst es noch bereuen, mir gedroht zu haben.«
    Rechmire rief einen kleinen Jungen herbei und gab ihm ein Kupferstück, damit er ihn zum Haus des Parahotep führte. Doch als er dort anklopfte, öffnete niemand.
    »Der Zeichner ist in seinem Grab«, nuschelte eine zahnlose Alte von der Dachterrasse des Nachbarhauses hinab, wo sie Zwiebeln schälte.
    »Das kostet noch ein Kupferstück«, sagte der kleine Junge grinsend.
    Rechmire seufzte und ließ sich von seinem kleinen Führer bis zum Abhang oberhalb des Dorfes führen, in dem Hunderte von Gräbern ihren Platz gefunden hatten. Der Junge brachte ihn zu einem bescheidenen, jedoch sorgfältig gemauerten und sauber verputzten Haus der Ewigkeit in der Mitte des Hügels.
    »Hier wird Parahotep ruhen«, verkündete er, warf die beiden Kupferstücke vor Freude in die Luft, fing sie mit der Linken wieder auf und rannte dann davon.
    Rechmire trat durch ein niedriges, rot bemaltes Holztor in einer weiß verputzten Ziegelwand auf einen quadratischen Innenhof, der an drei Seiten von der Mauer umschlossen war. An der vierten, der Hangseite erhob sich ein kleiner, säulengeschmückter Tempel, auf dem eine doppelt mannshohe Pyramide thronte. Sie war aus Lehmziegeln errichtet und gelb verputzt, ihre Spitze aus Elektron blendete ihn im grellen Sonnenlicht des Nachmittags, weil sie Amuns Strahlen genau auf den Innenhof reflektierte.
    Im Innenhof

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