Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
Schreiber aus Theben. Alle halten es so wie ich«, rief er. »Sieh dir doch die anderen Häuser der Ewigkeit auf diesem Hügel an. Alle Männer am Ort der Wahrheit schmücken ihre eigenen Gräber prachtvoll aus, Kenherchepeschef vor allen anderen. Wenn den Ersten Schreiber dies hier gestört hätte«, er zeigte einmal ringsum, »dann hätte er alle seine Arbeiter bestrafen müssen.«
    »Wo warst du in der Nacht, als er starb?«, fragte Rechmire ungerührt.
    »In meinem Haus«, erklärte der Zeichner säuerlich. »Ich habe ein paar Skizzen gemacht, dann einen Krug Bier getrunken und mich schließlich hingelegt. Erst als ich am nächsten Morgen aufwachte, hörte ich vom Tod des Ersten Schreibers. Ein Nachbar rief es mir von seiner Dachterrasse aus zu.«
    »Gibt es jemanden, der das bestätigen kann?«
    Parahotep wurde dunkelrot. »Nein«, murmelte er, »ich war allein.«
    Rechmire nickte bedeutungsvoll, um den Zeichner zu verunsichern. Tatsächlich wusste er nicht recht weiter. Parahotep hätte vielleicht einen Grund gehabt, Kenherchepeschef zu ermorden; und vielleicht hätte er es auch tun können. Es gab niemanden, der sagte, dass er es
nicht
getan haben könnte. Doch das traf wahrscheinlich für viele Männer in Set-Maat zu und wäre für den Tschati noch kein Grund, ein Todesurteil auszusprechen.
    »Schön«, sagte er und bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. »Ich danke dir für deine Auskünfte.«
    »Verschwinde aus meinem Grab«, zischte Parahotep.
    Rechmire drehte sich grußlos um und wollte schon die unterste Sprosse der Leiter erklimmen, als sein Blick zufällig auf ein kleines, fein gearbeitetes Kästchen aus Elfenbein fiel, das auf einer niedrigen dunklen Ebenholztruhe stand. Die Ecken des gelblich weißen, schimmernd polierten Kästchens zierten Reliefs der geflügelten Göttinnen Isis und Nephtys. Aus Golddraht gewirkte Hieroglyphen waren in die Längsseiten eingelassen. Rechmire stutzte, denn er erblickte eine Kartusche – doch nur die Namenszeichen des Pharaos durften durch diese schützende Linie umschlossen werden.
    Er sah genauer hin und las die goldene Schrift auf dem Kästchen: »Meine Schönheit erfreut das Herz von Merenptah.«
    Rechmire hielt den Atem an und kletterte rasch weiter hinauf. Erst als er oben wieder in der drückenden Hitze des kleinen Innenhofs stand und geblendet die Augen schloss, atmete er tief durch. Dann lächelte er. Er wusste nicht, was das Kästchen enthielt, doch er war ganz sicher, dass es nicht da stand, wo es stehen sollte: Die Elfenbeinarbeit war einst Teil des Grabschatzes des Merenptah gewesen. Es sollte den Pharao im ewigen Leben erfreuen, nicht einen kleinen, unbedeutenden Zeichner.
    »Das«, flüsterte er befriedigt, »ist doch endlich eine erste echte Spur.«
    Rechmire machte sich wieder auf den Weg den Abhang hinunter. Er folgte einem Trampelpfad im Geröll, der in Schlangenlinien an Dutzenden von ummauerten Gräbern vorbeiführte. Hinter fast allen Wällen blitzten vergoldete Pyramidenspitzen im Licht des tief stehenden Sonnenwagens. Nur zwei Häusern der Ewigkeit fehlte noch dieser Schmuck. Aber auch hier sah er ein paar Männer und halbwüchsige Jungen, die getrocknete Lehmziegel vom Nilufer bis in diese Einöde geschleppt hatten und nun dabei waren, kleine Pyramiden aufzumauern.
    Er grüßte die Arbeiter. Die Männer starrten ihn an, dann nickten sie schweigend, bevor sie die nächsten Ziegel vermauerten.
    Als er auf dem Talgrund angekommen war, zog es ihm vor Hunger den Magen zusammen. Dünne hellgraue Rauchfahnen stiegen aus vielen Innenhöfen der Häuser senkrecht in die heiße Luft. Es roch nach frisch gebackenem Brot, nach gebratenen Zwiebeln und leicht säuerlich nach neu angesetztem Bier; außerdem duftete es von irgendwoher köstlich nach gebratenem, mit Öl und Kräutern bestrichenen Ochsenfleisch. Rechmire bezwang seinen Appetit noch für einige Zeit, umging das Dorf und trat zum Tempel des Amun vor dem nördlichen Tor.
    Im Hof des Heiligtums beugte er das Knie, streckte die Hände demütig vor und huldigte dem Gott. Er verehrte Thot vor allen anderen Unsterblichen, doch dem war hier kein Tempel geweiht. Also wandte er sich an Amun, denn Rechmire spürte, dass er göttlichen Beistandes bedurfte.
    Während er noch betete, trat Kaaper aus dem dunklen Allerheiligsten. Der Priester blieb geblendet stehen, bis sich seine trüben Augen wieder an das rote Abendlicht gewöhnt hatten. Es dauerte lange, bis er Rechmire erkannte. Schweigend

Weitere Kostenlose Bücher