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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Götter herausgefordert. Einmal, das ist kaum ein Jahr her, hat er es sogar gewagt, Amenophis den Ersten, den vergöttlichten Schutzpatron unseres Dorfes, vor unser aller Augen zu beleidigen. Wir hatten einen Qenbet einberufen und …«
    »Wer ist wir?«, unterbrach ihn Rechmire. Ein Qenbet war ein Gericht, das kleinere Vergehen ahnden durfte. Wer ein schweres Verbrechen begangen hatte – wer einen Mensch erschlagen, die Götter beleidigt oder dem Pharao ungehorsam gewesen war –, konnte vom Qenbet dieser Untat bezichtigt und zum Tschati oder gar zum Hof des Pharaos geschickt werden, damit diese dann ein Urteil sprachen.
    »Ich, Djehuti, die Vorarbeiter und Nachtmin, unser Arzt«, antwortete Sennodjem.
    »Kenherchepeschef gehörte dem Qenbet nicht an?«
    Der Zweite Schreiber grinste böse. »Er stand vor ihm. Ich beschuldigte ihn, Kostbarkeiten aus Merenptahs Schatzkammern, die eigentlich für die Ausschmückung seines Grabes gedacht waren, für«, er zögerte kurz, »andere Zwecke verwendet zu haben.«
    »Du hast den Ersten Schreiber angeklagt?«, hakte Rechmire erstaunt nach.
    »So ist es«, bestätigte Sennodjem und noch in der Erinnerung an das Gerichtsverfahren zitterte seine Unterlippe vor Zorn. »Er war bestechlich. Seine Bestechlichkeit kannte keine Grenzen«, verbesserte er sich.
    »Also bestand ich darauf, dass ein Qenbet zusammentrat.
    Die anderen unterstützten mich dabei.«
    »Und wie ging die Sache aus?«
    Der Zweite Schreiber eilte mit kurzen, heftigen Schritten durch den Raum, um seine Erregung zu meistern. »Ich wollte, dass der Qenbet den Medjai befehlen sollte, Kenherchepeschef in Fesseln nach Theben vor den Sitz des Tschati zu führen. Doch die anderen fürchteten sich davor, weil sie glaubten, dass Mentuhotep aufseiten unseres Ersten Schreibers stehen könnte. Schließlich hat auch der Tschati ein Grab in der Nähe des Orts der Wahrheit und Kenherchepeschef hat ihm bei dessen Bau geholfen. Also schlug der Arzt Nachtmin schließlich vor, dass zunächst der Gott entscheiden sollte. Ich musste notgedrungen zustimmen, auch wenn ich dabei von Anfang an kein gutes Gefühl hatte. Zu Recht, wie sich dann zeigen sollte.«
    »Ihr habt euch für ein Orakel entschieden?«, fragte Rechmire. Sennodjem nickte. »Das ist hier so Brauch bei manchen Vergehen. Ein Arbeiter wird beschuldigt, einen Bronzemeißel gestohlen zu haben? Eine Frau soll ihrem Gatten untreu gewesen sein? Gut, lassen wir es unseren obersten Schutzherrn entscheiden! Ein paar Männer tragen das verhüllte Standbild von Amenophis dem Ersten auf dünnen Stangen aus seinem Tempel vor dem Nordtor in einer langen Prozession durch die Straße des Dorfes. Irgendwo an einer geheimen Stelle hat in der Nacht zuvor der Vorsteher des Qenbet – das war ich in diesem besonderen Fall – zu beiden Seiten der Straße zwei kleine Ostraka vergraben. Auf der einen Scherbe steht ›Schuldig‹, auf der anderen ›Unschuldig‹. Tragen nun die Männer das Standbild an dieser Stelle vorüber, achten die Mitglieder des Qenbet darauf, zu welcher Seite sich das verhüllte Standbild neigt. Schwankt der Gott stärker in Richtung des ›Schuldig‹-Ostrakon oder neigt er sich dem ›Unschuldig‹ entgegen?«
    »Und im Fall von Kenherchepeschef neigte sich Amenophis der Erste dem ›Unschuldig‹ zu«, stellte Rechmire fest. Es war nicht gerade besonders schwer, das zu erraten.
    Sennodjems Stimme zitterte vor Zorn. »Er neigte sich so stark dorthin, dass sein Bildnis beinahe von den Schultern der Männer in den Staub gekippt wäre!«, rief er, bevor er wieder an seine schnarchende Frau dachte und seine Stimme senkte.
    »Ich habe keine Ahnung, wie Kenherchepeschef das gemacht hat. Keiner der Träger wusste, wo ich die beiden Ostraka vergraben hatte. Und erst recht wusste keiner, auf welcher Seite ›Schuldig‹ und ›Unschuldig‹ vergraben waren. Aber es war so offensichtlich, dass Kenherchepeschef das Orakel irgendwie zu seinen Gunsten beeinflusst hatte!«
    Rechmire vermutete, dass einer der Männer des Qenbet, die ja schließlich alle wissen mussten, wo die beiden Ostraka lagen, um das Orakel beurteilen zu können, Kenherchepeschef heimlich – und vielleicht gegen eine gute Belohnung – alles verraten hatte. Dann wäre es leicht gewesen, unter den Trägern einen Mann zu finden, der an der entscheidenden Stelle »stolperte«. Doch das würde er Sennodjem nie verraten. Stattdessen sagte er: »Vielleicht hat der Gott doch die Wahrheit gesprochen. Dann wäre es ein

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