Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
Frevel, dieses Urteil anzuzweifeln.«
    Sennodjem sah ihn böse an. »Ich weiß, dass die Götter mir ihr Wohlwollen geschenkt haben«, fauchte er. »Amenophis der Erste, Meretseger und erst recht Amun lieben es nicht, wenn von allen Plätzen im Lande Kemet ausgerechnet am Ort der Wahrheit, an dem unsere Herren für alle Ewigkeiten ruhen, die Maat gestört wird durch Habgier und Bestechlichkeit, durch Unmoral und Missachtung der Götter und Gesetze. Und am Ende haben mich die Unsterblichen ja auch erhört.«
    »Denn Kenherchepeschef ist tot.«
    Der Zweite Schreiber nickte befriedigt. »Am Abend vor dem«, er suchte nach dem richtigen Wort, »blutigen Ereignis hörte ich plötzlich in meinem Innern eine Stimme, die mir befahl, die Nacht im Tempel des Amun zu beten und zu fasten. Als Amuns goldener Wagen unterging, betrat ich den Hof in seinem Tempel, warf mich zu Boden, drückte die Stirn in den Staub und flehte den Gott an, dass die Maat zum Ort der Wahrheit zurückkehren möge. Ich verharrte so, bis Amun der Erde wieder sein Licht schenkte. Dann erhob ich mich mit schmerzenden Gliedern und Zweifeln im Herzen, doch kurz darauf hörte ich, dass Kenherchepeschef in den Westen eingegangen sei. Da jubelte ich im Innern, denn nun wusste ich, dass Amuns Gnade zum Ort der Wahrheit zurückkehren würde.«
    »Und du bist Amuns Werkzeug«, ergänzte Rechmire. Es gelang ihm nicht ganz, den Spott in seiner Stimme zu unterdrücken. Zugleich fragte er sich, was er von der Nachricht halten sollte, dass Sennodjem in der Nacht des Mordes nicht im Dorf gewesen war.
    »Mach dich ruhig über mich lustig, Schreiber aus Theben!«, zischte Sennodjem. »Ich werde dem Ort der Wahrheit die Maat zurückgeben. Es werden wieder die alten Gesetze gelten, auf dass unsere Herren in dieser Welt mit uns zufrieden sind. Und die Wesen der anderen Welt werden uns den Frieden wiedergeben.«
    Rechmire sah ihn fragend an. »Die Wesen der anderen Welt?«, wiederholte er ratlos.
    Die feisten Mundwinkel des Zweiten Schreibers zitterten.
    »Sehakek und die anderen Dämonen. Anubis, der Schakalköpfige, der an der Spitze der Gotteshalle steht und der die Mumien beschützt. Sechmet, die Löwenköpfige, die Heil oder Krieg bringt. Osiris, der Totenrichter, der einst auch dein Herz wiegen wird. Meretseger, die das Schweigen liebt. Sie alle werden uns wieder gnädig sein.«
    Sennodjem kam näher und fasste Rechmire mit seiner verschwitzten Hand an der Schulter. Nervös sah er sich um, bevor er hauchte: »Es spukt im Tal, in dem die Pharaonen schlafen. Dämonen gehen nachts um. Schätze verschwinden aus den Häusern der Ewigkeit. Unser heiliges Siegel – der Schakal, der über die neun gefesselten Feinden der Beiden Reiche wacht – wird vor manchen Gräbern erbrochen, ohne dass ein Mensch zugegen wäre. Die Bas der unglücklichen Toten versammeln sich, derjenigen, die niemand betrauert, die ertrunken oder verbrannt sind. Du kannst nachts im Tal Geräusche hören, Stimmen. Das alles wird ein Ende haben. Der Frieden der Götter wird wieder einziehen am Ort der Wahrheit.«
    Der Zweite Schreiber atmete tief durch. »Ich werde für uns beide einen Krug Wasser holen«, sagte er dann unvermittelt und kroch durch den Zugang am Divan in den niedrigen, unterirdischen Raum.
    Rechmire nutzte seine kurze Abwesenheit, um zum Tisch zu gehen. Die Ostraka und Papyri waren Aufstellungen über Materialien und lange Anwesenheitslisten. Auf einer Kalksteinscherbe, die so groß war wie der Oberkörper eines Mannes, las er:
    »Pendau: Monat 1 der Achet, Tag 24 – trinkt mit Chonsu
Pennub: Monat 3 der Achet, Tag 7 – schleppt Steine für
den Ersten Schreiber; Monat 4 der Peret, Tag 24 – seine
Mutter ist krank
    Ini: Monat 1 der Peret, Tag 24 – schleppt Steine für den Ersten Schreiber
    Apethi: Monat 1 der Peret, Tag 14 – opfert den Göttern«
    Es waren Hunderte von Zeilen. Manche Arbeiter fehlten wochenlang. Und einer der häufigsten Gründe für ihre Abwesenheit lautete »schleppt Steine für den Ersten Schreiber«. Manche Einträge waren in Kenherchepeschefs unverwechselbarer Handschrift, die meisten allerdings in der des Sennodjem, wie Rechmire mit einem vergleichenden Blick auf einen anderen, gerade zur Hälfte neu beschriebenen Papyrus mit einer Bitte um die Lieferung von drei Dutzend Bronzemeißeln feststellte. Es war nicht die Handschrift des Liebesgedichtes.
    Rechmire nickte dankbar, als Sennodjem mit einem großen Krug und zwei Bechern aus Ton wieder aus dem Kellerraum

Weitere Kostenlose Bücher