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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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wartete er, bis dieser sein Gebet beendet hatte. Dann trat er neben ihn und löschte das Opferfeuer auf dem kleinen steinernen Altar in der Hofmitte.
    Rechmire half ihm dabei, das Haus des Gottes für die Nacht zu reinigen, indem er den Hof ausfegte und Wasser aus einem großen Krug versprengte, damit der gelbe Staub aus der Luft gewaschen wurde. Dabei erzählte er dem Priester von dem Elfenbeinkästchen in Parahoteps Grab. Er hörte selbst, dass seine Stimme dabei sehr aufgeregt klang.
    Kaaper lächelte dünn und wartete, bis er seinen Bericht beendet hatte. »Das Kästchen des Merenptah in seinem Haus der Ewigkeit macht Parahotep ohne jeden Zweifel zu einem Verbrecher, der seine Tage lieber unbetrauert in einer Goldmine der Wüste beschließen sollte als in einem anmaßenden Grab. Aber das beweist noch nicht, dass er auch Kenherchepeschef erdolcht hat.«
    »Der Erste Schreiber hat Parahotep dabei erwischt, wie er heimlich Schätze aus dem Haus der Ewigkeit des Pharaos stiehlt«, rief Rechmire. »Deshalb erdolchte der Zeichner Kenherchepeschef.«
    Kaaper blickte ihn mit seinen trüben Augen an. »Und warum hat Kenherchepeschef den diebischen Zeichner denn nicht sofort von den Medjai verhaften und zum Hof des Tschati schleppen lassen?«
    »Vielleicht war er sich seiner Sache noch nicht ganz sicher«, entgegnete Rechmire und klang dabei selbst schon längst nicht mehr so zuversichtlich wie zuvor.
    Sie traten aus dem Tempel. Kaaper drückte die hölzerne, mit schweren bronzenen Beschläge verstärkte Tür zum Hof zu, holte aus einem kleinen Ledersack, den er um den Hals trug, einen Schlüssel, tastete nach dem Schloss und verriegelte schließlich die Tür.
    Rechmire sah ihm dabei erstaunt zu. »Warum schließt du den Tempel ab?«, fragte er schließlich.
    Kaaper lachte leise. »Was bezweckt du mit dieser Frage?«, entgegnete er und schüttelte verwundert den Kopf. »Ich schließe den Tempel jeden Abend ab, wenn Amuns Wagen im Westen in der Unterwelt versinkt. Ich will nicht, dass Hyänen und streunende Katzen sein Heiligtum entehren.«
    »Du schließt jeden Abend ab«, wiederholte Rechmire verblüfft und kam sich dabei unsäglich dumm vor.
    »Selbstverständlich. Wir sind hier in der Wüste, nicht in Theben, wo Priester und Gläubige den Tempel Tag und Nacht aufsuchen und beschützen.«
    Rechmire schüttelte den Kopf und lachte freudlos.
    »Sennodjem hat mir heute gesagt, dass er die ganze Nacht von Kenherchepeschefs Ermordung betend in diesem Tempel verbracht hat.«
    Kaaper lächelte dünn. »Vielleicht hat Amun in seiner unendlichen Macht ein Wunder bewirkt und den Zweiten Schreiber durch die Luft bis ins wohl verschlossene Tempelinnere schweben lassen. Vielleicht hat Sennodjem aber auch einfach nur gelogen.«

10. BUCHROLLE

D IE M ACHT DER S KORPIONE
    Jahr 6 des Merenptah, Achet, Nacht vom 10. auf den 11. Tag des Paophi, Tal der toten Pharaonen, Set-Maat
    Rechmire ließ sich von Tamutnefret noch einmal das Abendmahl auftragen. Sie würde ihn am nächsten Morgen verlassen, um in einem anderen Haus zu arbeiten – dem von Kaaper, wie sie ihm sagte.
    »Ich muss den Fremden dienen«, gestand sie ihm verlegen lachend, als ob dies, selbst für eine Sklavin, etwas Erniedrigendes an sich hätte.
    Er aß allein auf der Dachterrasse und blickte sich schweigend um. Seine Nachbarn zur Linken und Rechten waren Steinbrecher, die mit ihren Frauen und einer großen Kinderschar die kühle Abendbrise auf ihren Häusern genossen. Die Männer nickten ihm einen Gruß zu, manche Kinder winkten oder starrten neugierig herüber, die Frauen taten so, als würden sie ihn nicht sehen und riefen sich über seine Dachterrasse hinweg gelegentlich einige Scherzworte zu.
    Als Amuns goldener Wagen unterging, leuchteten die Felsen im Westen rot, als hätte der Gott sein Blut über sie ausgegossen. Wenige Augenblicke später kam die Nacht. Rechmire hatte einst in einer Taverne Thebens von einem Mann, der einmal ein reicher Händler gewesen war, bevor sein Durst nach Wein ihn in Armut gestürzt hatte, gehört, dass in den fernen nördlichen Ländern, an den Küsten jenseits des Meeres der rot glänzende Sonnengott stundenlang am westlichen Horizont kämpfte, bevor er sich nur zögernd der Nacht ergab. In den Wüsten Nubiens dagegen versinke das Gestirn »so rasch, wie ein Sklave, der sich aus dem Zimmer seines Herrn schleicht«.
    Rechmire hatte diesen Vergleich damals für einen Frevel gegenüber dem Gott gehalten und dem Trinker Prügel angedroht.

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