Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
lächelte sie Rechmire an. »Ich werde in den Hof gehen und Brot backen«, erklärte sie.
Kaaper blickte ihr mit seinen trüben Augen nach, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Sie ist eine gute Sklavin«, erklärte er und schüttelte traurig den Kopf. »Ich bedaure nur, dass ich ihr Gesicht nicht mehr erkennen kann. Ich glaube, sie ist ganz hübsch. Auf jeden Fall hat sie es hier besser als auf einem der großen Landgüter des Pharaos, wo die Aufseher die Sklaven wie Esel zusammenpferchen und prügeln, wenn sie nicht genug arbeiten. Der Ort der Wahrheit ist auch der Ort vieler Privilegien, die man nirgendwo sonst in den Beiden Reichen genießen kann.«
»Ist Nachtmin deshalb hier Sunu geworden?«, fragte Rechmire spöttisch.
Der Priester lächelte dünn. »Sei nicht ungerecht, junger Schreiber. Zwar habe ich in den letzten drei Tagen besonders viel zu Amun gebetet und ihm Myrrhe und Weihrauch geopfert, doch letztlich wäre die Gunst des Gottes wirkungslos geblieben ohne die Kunst des Arztes. Nachtmin hat dein Leben gerettet. Er ist ein guter Arzt und hätte in Theben zum Ratgeber der Reichen und dabei selbst angesehen und wohlhabend werden können.«
»Wenn er seine Künste nicht in einem See aus Wein ertränkt hätte.«
Kaaper nickte langsam. »Er war so gut, dass er schon in jungen Jahren am Haus des Lebens im Großen Tempel von Karnak die Schüler in die Geheimnisse der Heilkunst eingewiesen hat. Er soll sogar eigenhändig einen medizinischen Lehrtext mit neuen Rezepten geschrieben haben. Doch irgendwann muss es einen Skandal gegeben haben. Niemand weiß etwas Genaueres darüber und Nachtmin schweigt nur, wenn man ihn daraufhin anspricht. Doch was auch immer vorgefallen sein mag: Er verließ Theben vor einigen Jahren und ging nach Set-Maat. Die Menschen hier lieben und fürchten ihn zugleich. Sie verehren ihn wegen seines Wissens. Niemand hat je so viele Kranke vor einer vorzeitigen Reise in den Westen bewahrt wie er. Sie schlucken seine Arzneien so dankbar, als hätte sie ihnen ein Gott persönlich überreicht. Nur wenn er das scharfe Obsidianmesser in seine zitternden Hände nimmt, um die Jungen zu beschneiden, Wunden zu öffnen, Geschwüre zu entfernen oder andere Operationen durchzuführen – nur dann fürchten sie ihn.«
Rechmire schwang seine Beine von der Liege auf den Boden und wartete einen Moment, bis ein leichter Schwindelanfall vorüber war. Dann stand er auf und ging mit noch unsicheren Schritten zur gegenüberliegenden Ecke des Raumes, wo auf einer Kiste ein kleines Bündel lag. Er hatte darin den Lendenschurz erkannt, den er in der Nacht getragen hatte, in der er angegriffen worden war. Irgendjemand hatte ihm inzwischen ein neues Gewand angelegt.
Er wühlte in den Sachen, zog seine beiden staubbedeckten Sandalen hervor und fand schließlich auch den kleinen Lederbeutel, in dem er die fünf Steinscherben mit Kenherchepeschefs Handschrift verstaut hatte. Sie waren noch da.
»Das habe ich im Abraum vor Merenptahs Grab gefunden«, erklärte er dem Priester. »Genau genommen direkt unterhalb von Kenherchepeschefs Felsensitz. Es sind Steinsplitter mit Notizen von seiner Hand.«
»Lies vor«, rief der Priester ungeduldig.
»Es sind drei Entwürfe für Briefe an den Tschati. Kenherchepeschef hat offensichtlich verschiedene Varianten ausprobiert, um die schönste Kombination der Hieroglyphen abschätzen zu können.«
»Dieser Blender«, murmelte Kaaper kichernd. »Als ob sich Mentuhotep für solche Feinheiten interessiert.«
Rechmire dachte an seine eigenen, quälend langen Unterrichtsstunden, in denen ihm genau diese Formulierungen eingetrichtert worden waren, doch er ging darauf nicht ein. »Die anderen beiden Splitter sind vielleicht interessanter«, fuhr er stattdessen fort. »Auf dem einen steht: ›Ich weiß alles über dich.‹«
»Und nichts weiter?«, fragte der Priester. »Keine Anrede?«
Rechmire schüttelte den Kopf, bevor ihm bewusst wurde, dass Kaaper diese Geste wohl kaum mehr erkennen konnte. »Nein«, sagte er lauter als notwendig, »keine Anrede. Auf der Rückseite steht ein Pharaonenname, den ich nicht kenne. Er ist in einer anderen Handschrift in roter Tinte verfasst, vielleicht hat es etwas mit Kenherchepeschefs historischen Studien zu tun: ›Es lebt Re, der Herrscher der beiden Horizonte, der frohlockt im Horizont, in seinem Namen als Vater des Re, der gekommen ist als …‹ Das letzte Wort hat jemand durch Zufall oder mit Absicht weggewischt.«
»Was
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