Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
ihm, dass er sich um jeden Preis versteckt halten musste, doch sein Herz forderte, dass er sich seiner Geliebten irgendwie heimlich zeigen sollte.
»Was ist mit dir los?«, flüsterte Kaaper besorgt. »Hat dich das Gift der Skorpione noch einmal gepackt?«
»Es ist ein anderes, süßeres Gift, Priester«, entgegnete Rechmire versonnen. Dann nahm er sich jedoch zusammen und berührte Kaapers Schulter, um ihn zu beruhigen. »Mach dir keine Sorgen, mir geht es ausgesprochen gut«, fügte er leise hinzu.
Sie schlichen sich näher heran, bis sie sich hinter einer haushohen Statue aus rotem Granit versteckten, die Ramses der Zweite einst zu seinem Ruhm hier hatte aufstellen lassen. »Ich werde mich unauffällig zu den anderen Priestern gesellen«, flüsterte Kaaper. »Du wartest hier, bis ich dich abhole.«
Er verschwand im Dunkel zwischen zwei Säulen. Kurz darauf erblickte ihn Rechmire am gegenüberliegenden Ende der Halle. Von dort schritt er mit gemessenen Schritten und gesenktem Kopf zu den anderen Priestern. Er fiel auf, weil er als Einziger ein normales Leinentuch trug und sein Körper nicht eingeölt war, doch niemand schien ihn sonderlich zu beachten. Die jüngeren Diener Amuns, die am Rande der Gruppe standen, machten ihm ehrerbietig Platz, sodass er bald inmitten der leise betenden Priester verschwand.
Als die Sängerinnen ihren Hymnus beendet hatten, hallte ihr Gesang noch lange zwischen den Säulen nach, als gäbe es ein Echo aus der Unterwelt. Erst als der letzte Laut verklungen war, trat Userhet vor.
Rechmire erkannte seine große, massige Gestalt wieder. Seine goldenen Zähne blitzten im Halbdunkel des Tempels, als brenne ein Feuer in seinem Mund. Der Hohepriester bereitete sich darauf vor, das letzte der sechzig Rituale zu vollziehen, mit denen die Priester Amun täglich ehrten.
Zwei junge Diener Amuns näherten sich ihm unterwürfig. Der eine reichte ihm ein Tuch aus feinstem, golddurchwirkten Leinen, der andere eine Flasche aus blauem Glas, die kostbares, golden schimmerndes Behenöl enthielt.
Userhet nahm die Gaben würdevoll in Empfang, dann schritt er ganz allein durch die düstere Halle, bis er am hinteren Ende ein doppelt mannshohes Tor erreichte, dessen beide Flügel mit purem Gold beschlagen waren. Es versperrte den Zugang zum Allerheiligsten, wo Amuns Bild seit uralten Zeiten thronte. Nur der Pharao und der Hohepriester konnten sich dem Gott nähern, ohne als lebende Fackel zu verbrennen.
Als sich vor Userhet das goldene Tor wie von Geisterhand öffnete, warfen sich die Priester und die Sängerinnen Amuns zu Boden und drückten mit geschlossenen Augen die Stirn auf den Boden aus grün glasierten Kacheln. Erst als sich die goldenen Flügel wieder mit einem dumpfen Krachen hinter dem Hohepriester geschlossen hatten, wagten sie es aufzublicken, blieben jedoch demutsvoll auf ihren Knien.
Rechmire kam die Wartezeit endlos vor. Er zählte die Tropfen aus der Wasseruhr, die mit einem hellen Klingen auf eine große Silberschale fielen, doch bald erschien ihm das absurd; außerdem hatte er Angst, einzuschlafen und dann erwischt zu werden. Er beobachtete die Knienden und versuchte, einen Blick auf Baketamun zu erhaschen, doch sie war inmitten der Gruppe kaum auszumachen.
Endlich kam Bewegung in die Wartenden: Die Sängerinnen des Amun erhoben sich, grüßten die Priester ehrerbietig und verließen das Heiligtum tief gebeugt und rückwärts schreitend, weil es ein Frevel gewesen wäre, das Gesicht vom Gottesbildnis abzuwenden – selbst wenn es den Augen der Sterblichen für immer im Allerheiligsten entrückt war.
Rechmire war aufgesprungen. Ihn hielt es nicht mehr in seinem Versteck. Wie lange mochte die einsame Zeremonie Userhets noch dauern? Er musste nicht lange überlegen, ob er seinen Platz für ein paar Augenblicke verlassen sollte, um sich hinter den Sängerinnen herzuschleichen.
Doch er musste einen anderen Weg wählen. Er schritt rasch bis zur Außenwand der Säulenhalle zurück und wandte sich von da aus in die Richtung, in die auch die jungen Frauen verschwunden waren. Doch als er endlich dort ankam, wo er sie zuletzt gesehen hatte, war niemand mehr zu erblicken. Schlimmer noch: Rechmire konnte auch nirgends eine Tür entdecken, durch die die Sängerinnen hätten verschwinden können. Verzweifelt tastete er die Reliefs der Wand ab. Irgendwo hier musste sich eine geheime Pforte verbergen, doch er konnte im Halbdunkel weder einen Griff, noch irgendeine verdächtige Fuge erkennen.
Er
Weitere Kostenlose Bücher