Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Zeiten die Aussicht auf eine angesehene Stelle zerstörte. Solange diese quälende Ungewissheit anhielt, wollte er nicht vor ihre Augen treten, weil er die besorgten Fragen seiner Adoptiveltern fürchtete.
Er schüttelte den Kopf. »Das ist leider nicht möglich, denn ich bin alle Stunden des Tages nur damit beschäftigt, den Auftrag des Tschati zu erfüllen. Und das gilt ganz besonders jetzt, während der Zeit der großen Feiern.«
Dann aber konnte er sich nicht länger beherrschen und fragte in möglichst beiläufigem Tonfall: »War Shedemde einmal hier?«
»Die Sklavin, die manchmal an deine Pforte klopft, um dich abzuholen?«, fragte Chui, obwohl er ganz genau wusste, wen sein Herr meinte.
Rechmire nickte ungeduldig.
Die beiden alten Sklaven tauschten einen langen Blick, dann antwortete Nebtu kurz angebunden: »Nein, die war nicht hier.«
»Gut«, antwortete Rechmire, obwohl das ganz und gar nicht das war, was er in diesem Moment dachte. Er wollte sich vor seinen beiden Dienern nichts anmerken lassen, weshalb er nicht weiter nachfragte – obwohl er den Eindruck hatte, dass ihm die beiden irgendetwas verschwiegen.
Er verabschiedete sich von den beiden Sklaven und kämpfte sich durch das Gedränge der engen Gassen bis zur Herberge zurück. Er fühlte sich plötzlich müde und hatte das unbestimmte Gefühl, als müsse er die kommenden Tage des Opet-Festes fürchten.
Im Hof der Herberge traf er Kaaper, der mit Nachtmin beim Schlangenspiel saß. Beide Männer schlürften aus langen Saugrohren kühles Kedebier, das in großen, irdenen Krügen serviert worden war. Einige Männer aus dem Ort der Wahrheit standen neugierig um die beiden herum, ein Halbwüchsiger hatte sich zu dem halb blinden Priester gesetzt, der seine eigenen Züge und die des Gegners nicht mehr erkennen konnte, sondern sich nur mit seiner Erinnerung und seinem Vorstellungsvermögen helfen musste. Trotzdem dominierten seine Steine, die der Junge nach seinen Anweisungen bewegen musste, das Spielbrett, das dem Bild einer geringelten Schlange nachempfunden war. Alle drei seiner hölzernen Löwen und seiner Löwinnen sowie zwei seiner drei roten Kugeln waren noch im Spiel, während dem Arzt nur noch zwei Löwen geblieben waren. Wenige Züge später war er auch diese letzten Figuren los.
Der Sunu verneigte sich lachend, während die Zuschauer anerkennend murmelten. »Dein klügster Zug war dein erster, Priester«, rief Nachtmin fröhlich, »als du mir einen Krug Kedebier spendiert hast. Wein beflügelt mich, doch Bier macht mich dumpf und träge wie den Ochsen am Schöpfrad. Ich gratuliere dir!« Er schob ihm einen Kupferring hinüber.
»Ich werde meine Siegesbeute Amun spenden, sodass er uns beiden gnädig ist«, erwiderte Kaaper und ließ sich von dem Jungen den Ring reichen. Die Umstehenden applaudierten. »Ist der junge Schreiber hier?«, fragte der Priester.
Rechmire wollte sich neben ihn setzen, doch Kaaper stand auf und fasste ihn am Arm. »Lass uns einen kleinen Spaziergang machen«, sagte er fröhlich.
Theben glühte rot, weil sich Amuns Wagen dem westlichen Horizont näherte. In den Gassen stand heiße, stickige Luft wie in einem Wüstengrab, doch nachdem sie einige Querstraßen passiert hatten, erreichten sie einen der großen öffentlichen Gärten, die wie Oasen im zerklüfteten Dickicht der Ziegelwände, Dachterrassen und schmalen Wege lagen. Hunderte von Bauernfamilien und fliegenden Händlern aus allen Teilen des Landes Kemet hatten sich unter den sorgfältig gestutzten Palmen niedergelassen, auf den viereckigen Zierteichen schwamm Unrat, obwohl eine ganze Abteilung von Sklaven des Pharaos mit nichts anderem beschäftigt war, als den Park pausenlos zu reinigen.
Rechmire fand einen Platz auf der niedrigen Einfassungsmauer eines Zierbeckens, auf dessen stiller schwarzer Wasserfläche blaue Lilien schwammen, deren schwerer Duft stärker war als der strenge Geruch der lagernden Menschenmasse.
Er hatte während des Weges geschwiegen, weil er keinen Grund mehr hatte, dem Priester zu trauen.
Kaaper schien das nicht zu stören, denn er hing offensichtlich seinen eigenen Gedanken nach. Er atmete schließlich tief durch und lächelte. »Wasserlilien«, murmelte er. »Letztes Jahr während des Opet-Festes konnte ich noch ihren blauen Schimmer erkennen und den grünen Schatten, der unter Palmen spielt, und die gelben Striche der sauber geharkten Kieswege und die weißen Linien der niedrigen, verputzten Einfassungsmauern. Dieses Jahr sehe
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