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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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geben.
    »Vielen Dank, dass Sie so schnell hergekommen sind«, sagte der Commissarius. »Ich suche Sie heute Nachmittag im Leichenschauhaus auf.«
    »Ich bestehe darauf«, sagte Dr. Gessken und ließ wieder sein helles Lachen erklingen.
    »Also dann«, murmelte Funke zurückhaltend und begab sich auf den Weg zur Polizeikutsche. Dabei fiel sein Blick auf eine efeubewachsene Eiche, den deutschesten aller Bäume. Jemand hatte die grünbraune Rinde abgeschabt und das helle Holz freigelegt. In die so entstandene Fläche hatte er Zeichen geritzt.

    Er fuhr mit dem Zeigefinger an den Linien und Schrägstrichen entlang.
    »Das sind Runen«, sagte Dr. Gessken, der neben ihn getreten war.
    »Runen?«, fragte der Commissarius.
    »Ja, germanische Schriftzeichen, aber jetzt fragen Sie mich bloß nicht, was Sie bedeuten.«
    Wannsee
    In vier Tagen würde der Startschuss zur Übungsregatta fallen; viel Zeit zum Training blieb ihnen nicht mehr. Deshalb legten Otto und Moses in aller Herrgottsfrühe ab und paddelten auf den Wannsee, um das Großsegel zu setzen. Am Himmel zogen riesige Wolkenfelder vorüber, welche die grauen Vorboten des nächsten Regenschauers waren. Mit vier Beaufort blies ein kräftiger Wind, der in Böen auch stärker ausfallen konnte. Gegen die nasse Kälte hatten sie Wollpullover und Öljacken angezogen. Nachdem sie einige Schläge gesegelt waren – zunächst nach Sandwerder, dann Richtung Pfaueninsel –, holten sie im Windschatten von Kälberwerder, einer unbewohnten Insel mit Bäumen und Büschen, die Segel ein, um ein Frühstück einzunehmen.
    Nachdem sich Otto aus dem Proviantkorb bedient hatte, fiel ihm das Telegramm ein, das er kurz nach dem Gespräch mit Professor von Trittin an den Commissarius geschickt hatte. Darin hatte er den Wissenschaftler aufgrund seiner charakterlichen Disposition und seiner antisemitischen Vorgeschichte als verdächtig bezeichnet. Auch hatte er um die Überprüfung des Alibis durch einen Polizisten ersucht. Normalerweise schickte Funke eine kurze Empfangsbestätigung, aber bis jetzt hatte er nichts von sich hören lassen, was ungewöhnlich war. Vermutlich war der Commissarius einfach zu beschäftigt gewesen.
    Otto biss in eine Stulle und sagte kauend: »Ich habe nachgedacht. Ab jetzt bist du der Steuermann.«
    »Ich?«, erwiderte Moses und verschluckte sich beinahe an einem Stück Hartkäse. »Ich habe noch nie eine Pinne in der Hand gehalten.«
    »Dann wird es höchste Zeit«, sagte Otto. »Ich will dir auch erklären, warum. Wir sind eine Bootsmannschaft und werden bei der Übungsregatta zusammen antreten. Allerdings bin ich mir sicher, dass Professor von Trittin bei einer Niederlage behaupten wird, dass er gegen mich verloren hätte, weil ich die Befehlsgewalt gehabt hätte. Seine Beleidigungen würde er nicht zurücknehmen, und entschuldigen würde er sich auch nicht. Deshalb musst du das Boot lenken, du musst der erste Mann an Bord sein und ihn in die Knie zwingen, damit er sich hinterher nicht in Ausreden flüchten kann.«
    »Wenn du so daherredest«, sagte Moses, während einige höhere Wellen gegen die Bordwand schwappten und das Boot zum Schaukeln brachten, »wird mir ganz flau im Magen. Du ziehst noch nicht einmal in Erwägung, dass er uns schlagen könnte, oder?«
    »Solche Überlegungen würden uns nur schwächen.«
    »Ich kann nicht der Bootsführer sein. Ich weiß überhaupt nicht, was ich da machen muss.«
    »Deshalb sind wir ja rausgefahren. Ich bringe dir alles bei, was ich weiß und was ich in ›Seglers Taschenbuch‹ gelesen habe. Ich rate dir übrigens dringend, die Praxiskapitel noch heute Nacht zu studieren.«
    »Was kannst du mir schon beibringen?«, fragte Moses.
    »Du wirst dich wundern, was ich alles gelernt habe. Zuallererst muss der Steuermann ein guter Beobachter sein. Er muss die Windrichtung, die Faltenbildung an den Segeln, die Wasserkräuselungen auf dem Wasser und natürlich den Stander im Top ständig im Auge haben und auf die unterschiedlichen Gegebenheiten reagieren.«
    »Und wie reagiere ich bei einer Faltenbildung?«
    »Iss auf und setz dich an die Pinne – dann zeig ich es dir.«
    Sie tranken noch von dem Apfelmost; dann lichteten sie den Anker und setzten das Großsegel. Auf dem sogenannten »Wannsee-Kurs«, den sie auch bei der Regatta befahren würden, übten sie zunächst auf einem Halbwindkurs kleine Richtungsänderungen durch Anluven und Abfallen. Es dauerte eine Weile, bis Moses verinnerlicht hatte, dass die Pinne immer in

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