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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sein.«
    »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand.«
    »Mit dem Teufel hat das weniger zu tun, sondern mehr mit dem Papst. Nachdem Innozenz  III . ein Klima des Misstrauens geschaffen hatte, erhitzte sich die schmutzige Phantasie des Mobs immer mehr. Bald tauchten auch in Deutschland die ersten Ritualmordbeschuldigungen auf, welche die Juden zu blutrünstigen Knabenschlächtern machten. Es folgten erste Verbrennungen des Talmuds und Anklagen wegen Hostienfrevel. Dabei malträtierten wir angeblich geweihte Gegenstände mit Dolchen, um Jesus leiden zu lassen. Als die Pest wütete, waren wir natürlich die Drahtzieher, weil wir die Brunnen vergiftet hatten.«
    »Sie wurden zu Sündenböcken gemacht«, sagte der Commissarius.
    »Kennen Sie Harry Breßlau ?«, fragte Wolfssohn.
    »Nein. Noch nie gehört, den Namen.«
    »Breßlau ist ein Mediävist und war ein Kollege des Historikers Heinrich von Treitschke, der den Berliner Antisemitismusstreit ausgelöst hat. Breßlau hat einmal geschrieben, dass in Momenten, da im Volke eine gewisse Unzufriedenheit mit seiner Lage Platz gegriffen habe, es von jeher beliebt gewesen sei, einen Sündenbock aufzusuchen, dem man die eigene und die fremde Schuld aufzubürden geneigt sei. In Deutschland hätten dazu von alters her die Juden dienen müssen. So wie man ihnen früher die Pest zur Last gelegt habe, so würde ihnen heute die Hauptschuld an der liberalen Gesetzgebung und dem Kulturkampf zugeschrieben. Sie würden verantwortlich gemacht für wirtschaftliche Krisen und den allgemeinen Notstand. Und warum?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Weil es leichter ist, dem gemeinen Volk einen Prügelknaben hinzustellen, an dem es seine Unzufriedenheit abreagieren kann, als die tatsächlichen Probleme zu lösen. Aber das ist noch nicht alles. Was wissen Sie über die Reformbewegung im Judentum?«
    »Nicht sehr viel«, erwiderte der Commissarius. »Ich weiß nur, dass sich immer mehr Juden an die deutschen Gepflogenheiten anpassen und sich von ihren Gemeinden entfernen. Manche von ihnen feiern sogar das Christfest.«
    »Das ist richtig«, erwiderte Wolfssohn. »Die meisten Juden wollen nicht allein über ihre Religion definiert werden, sondern sie wollen vor allem als Deutsche akzeptiert werden. Dafür sind sie bereit, ihren Pflichten mit besonderem Einsatz nachzukommen. Deshalb haben so viele Juden tapfer als Soldaten gekämpft, weil sie ihr Vaterland lieben. Und jetzt raten Sie mal, wie die Antisemiten das finden.«
    »Was meinen Sie?«
    »Rein äußerlich besteht kaum noch ein Unterschied zwischen Deutschen und Juden. Sie tragen die gleiche Kleidung und den gleichen Bart. Deshalb haben die Antisemiten eine spezielle Antwort auf die Reformbewegung gefunden. Seit Neuestem behaupten sie nämlich, dass der Unterschied nicht äußerlich, sondern vor allem innerlich sei. Die Juden seien nämlich eine eigene Rasse, und die Abneigung gegen sie sei biologisch bedingt. Jeder gute Germane könne die Niedertracht und die Ansteckungskrankheiten, die von den Juden ausgehen würden, wittern. Man solle sich nicht von ihrem angepassten Auftreten blenden lassen, denn im Geheimen würden sie paktieren und nach der Weltherrschaft streben, was in ihren Erbanlagen festgelegt sei. Früher kreidete man uns an, dass wir anders aussahen, und heute findet man es verdächtig, dass wir genauso leben wie alle anderen. Nun finden Sie darauf mal eine passende Antwort.«
    »Das ist in der Tat schwer«, sagte der Commissarius.
    »Aber soll ich Ihnen etwas sagen? Ich bin mir sicher, dass die Ursache für den Antisemitismus nicht im Anders- oder Nichtanderssein der Juden liegt, sondern in der Natur des Menschen. Wir alle haben eine helle und eine dunkle Seite. Im Laufe unseres Lebens zeigt sich, wo wir stehen. Viele gerechte Menschen verkörpern Toleranz, Humanität und Liebe, aber die Antisemiten haben sich der Ablehnung, dem Hass und der Zerstörung verschrieben. Sie stehen auf der dunklen Seite.«
    Irgendwann kehrte Kriminalschutzmann Stresow keuchend und verschwitzt zurück. Er berichtete von der erfolglosen Verfolgung eines Mannes, den er nur aus großer Ferne gesehen hatte. Warum er weggelaufen war, blieb im Ungewissen. Trotzdem hatte der Commissarius das Gefühl, dass seine Intuition richtig gewesen war und er dem Mörder zuvorgekommen war. Er instruierte Stresow hinsichtlich des Polizeischutzes, bedankte sich bei Isaac Wolfssohn für die Erklärungen und begab sich zurück ins Präsidium.
    Er war dem Täter auf der Spur. Es

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