Mord in Babelsberg
überfallen, ich wusste doch nicht …«
»Kennen Sie den Reporter?« Leo staunte immer wieder, wie rasend schnell sich Nachrichten in der Hauptstadt verbreiteten.
»Nicht persönlich. Er heißt Reinhard Klein. Darum bin ich unter anderem hergekommen.« Sie berichtete von dem Zeitungsartikel, in dem Klein die Andeutung über ihre Stola fallengelassen hatte, und zeigte Leo auch den zweiten Artikel von Klein.
Leo sah sie fragend an. »Und?«
Sie senkte den Kopf. »Ja, die Stola war von Herrn König.« Dann schaute sie Leo direkt an. »Aber ich hatte kein Verhältnis mit ihm, falls Sie das meinen.« Sie betrachtete ihre Hände, an ihrem Hals erschienen rote Flecken. »Er … ich glaube, er war an mir interessiert. Nicht aufdringlich, das war er nie, aber er war besonders aufmerksam. Wenn ich beim Drehen nervös wurde, hat er mich beiseitegenommen und mit mir gesprochen, bis ich mich beruhigt hatte. Er war geduldiger als mit den anderen Darstellern. Oder den Technikern. Die hat er schon mal angeschrien, mich nie. Obwohl ich viele Fehler gemacht habe. Aber er hat mich nie angefasst oder zu küssen versucht. Ich weiß nicht, was noch geworden wäre, wenn er …« Sie konnte nicht weitersprechen.
Leo drehte einen Bleistift zwischen den Fingern. »Waren Sie überrascht, als Sie das Geschenk von ihm erhielten?«
Sie zögerte. »Überrascht ist nicht das richtige Wort. Ich hatte es nicht erwartet, aber als ich es sah, wusste ich, dass es nur von ihm sein konnte.«
»Hat er je mit Ihnen über seine Frau gesprochen?«
Die Antwort kam umgehend und klang überzeugend. »Nein, nie. Er hat mich ihr vorgestellt, als sie das erste Mal im Atelier war. Danach haben wir uns gegrüßt, aber sie kam selten zu den Dreharbeiten. Wir haben uns auf ein oder zwei Abendgesellschaften bei ihm zu Hause gesehen, aber nur Höflichkeiten ausgetauscht. Und er hat nie etwas Privates erwähnt.«
»In Herrn Kleins Artikel steht, dass Sie gestern nicht bei der Wohltätigkeitsveranstaltung im Club der Filmindustrie waren. Warum nicht?«
»Es hatte nichts mit Viktor oder Elly zu tun. Ich wollte eigentlich hingehen, habe aber Migräne bekommen. Daher bin ich zu Hause geblieben.«
»Waren Sie den ganzen Abend zu Hause?«
Sie sah ihn verwirrt an. »Ja. Ich habe bei geschlossenen Vorhängen im Dunkeln gelegen und gewartet, dass die Schmerzen aufhören.« Dann trat ein Funkeln in ihre Augen. »Meine Nachbarin hat mir Tabletten aus der Apotheke geholt. Sie kann bestätigen, dass ich zu Hause war.«
Leo lächelte. »Danke, Fräulein Vasary.«
Carla Vasary schaute plötzlich auf die Uhr und sah Hahn erschrocken an. »Um halb sieben habe ich einen Termin bei G. W. Pabst.« Sie sprach den Namen des großen Regisseurs beinahe ehrfürchtig aus. »Falls Sie mich nicht mehr brauchen …«
»Gehen Sie ruhig. Danke für Ihre Mithilfe«, sagte Leo. »Ich muss Sie allerdings bitten, in den nächsten Tagen noch einmal vorbeizukommen und die Aussage zu unterschreiben. Wir melden uns, wenn wir weitere Fragen haben.«
Nachdem sie das Büro verlassen hatte, schauten die Männer einander an. Leo konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass der Produzent die ganze Zeit mühsam an sich gehalten hatte.
»Herr Hahn?« Leo verschränkte die Arme.
»Sie sollten mit der Ehefrau reden.«
Leo hob eine Augenbraue.
»Carla ist ein liebes Mädchen. Sie muss das alles nicht hören. Aber ich sage Ihnen, Elly ist von Eifersucht zerfressen – auf die Schauspielerinnen, vor allem Carla, auf Viktors Erfolg, seine Beliebtheit …«
»Sie war immerhin seine Frau.«
Hahn verzog den Mund. »Natürlich. Und die Tochter des Klosettkönigs von Schwerin. Pawlak Porzellan und Sanitär«, fügte er hinzu, als er Leos fragenden Blick bemerkte. »Ich bin ganz ehrlich. Viktor war mein Freund, aber die Ehe mit Elly … Ich meine, sie ist nett anzusehen, aber er hätte jede Frau in Berlin haben können. Na ja, fast jede. Und es gibt viele, die schöner oder klüger oder erotischer sind als Elly oder sogar alles zusammen.«
»Sie meinen also, er hat sie des Geldes wegen geheiratet?«
»Ohne jeden Zweifel. Sie hat ihn angehimmelt, er konnte sie aus der Provinz in die Metropole bringen. Ihr ein neues Leben bieten. Aufregende Bekanntschaften. Die Welt des Films. So hatte sie es sich wohl vorgestellt. Die Enttäuschung kam bald und muss sehr bitter für sie gewesen sein. Er ging abends fast immer allein weg, trat auf wie ein Junggeselle. Er nahm Elly nur mit, wenn sie wieder mal getobt und
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