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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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heraus sowie entsprechend der jeweiligen finanziellen Verhältnisse
möbliert worden war.
    Sie zog den Mantel aus, hängte ihn an den Haken und
ging in die Küche, um sich dort ebenfalls mit Wohlgefallen umzusehen. Auch hier
keinerlei Anspielungen, keine Dekoration, nur Gebrauchsmobiliar, ausgewählt
mehr oder weniger nach dem Zufallsprinzip. Und – überall dünne gräulich weiße
Staubschichten. Auch das empfand sie in diesem kurzen Moment der
Wohnungsbesichtigung als überaus beruhigend, setzte sie sich doch damit so
eindeutig wie augenfällig von der beschränkten Vorstellungswelt der Apolonia
Rupp ab, die sie schon jetzt als Paradebeispiel der pathologischen Putzerin
abqualifiziert hatte. Und zwar als eine von der Sorte, die ständig hinter ihren
blitzsauberen weißen durchbrochenen Kunststoffgardinen lauerte.
    Überhaupt war für Paula, die regelmäßiges Staubwischen
für Zeitvergeudung hielt, überall da, wo es so sauber und keimfrei zuging wie
bei der Mutter der Ermordeten, ein kleinlicher engstirniger Putzteufel daheim.
Und so starrte sie mit einer gewissen Befriedigung auf die dünne Schicht auf
dem Kühlschrank. Da ging ihr einer der Sinnsprüche ihrer Mutter Johanna, die
über einen großen Fundus davon verfügte, aus dem sie mal ernst, mal ironisch
zitierte, durch den Kopf: »Wo Staub liegt, herrscht Frieden.«
    Auf dem Küchentisch standen zwei ihrer guten Kellergeister:
ein sündteurer Riesling aus dem Rheingau und ein italienischer Chardonnay von
2010 aus dem Friaul, für den sie nicht einmal fünf Euro bezahlt hatte. Sie
entschied sich für den Italiener, für den Conti di Colloredo, zum einen des
verführerischen Namens wegen, zum anderen aus purem Trotz gegen Frau Rupp. Die
würde, vermutete sie, sicher nur deutsche Weine, wahrscheinlich ausschließlich
Frankenweine trinken, teure, hervorragende Bocksbeutel-Weine, die frei von
jedem Verdacht waren, aus Lagen zu stammen, wo man es mit der Ordnung und
Sauberkeit nicht ganz so genau nahm.
    Nach dem ersten Schluck bereute sie ihre Wahl. Sie war
wieder mal auf den wohlklingenden Namen hereingefallen, was ihr in letzter Zeit
häufig passierte. Der Chardonnay war plump und aufdringlich, ohne jede
Raffinesse und feine Fruchtigkeit. Dennoch würde sie ihm heute Abend die Treue
halten, schon allein deswegen, um sich von Frau Rupp auch bei der Getränkewahl
sinnfällig abzusetzen.
    Nun war sie auf der Suche nach einem passenden Begleiter
für den derb-vordergründigen Italiener. Sie entschied sich für breite
Bandnudeln mit brauner Butter und geriebenem Emmentaler, diesmal nicht aus
Gründen der Opposition, sondern einfach deswegen, weil ihr schlecht sortierter
Haushalt momentan nichts anderes zu bieten hatte. Während des Essens schweifte
sie gelegentlich in die Eichendorffstraße ab und versuchte sich vorzustellen,
was bei Elvira Platzer abends auf dem Esstisch gestanden hatte. Wenn es
überhaupt einen Tisch gab, an dem man essen konnte, das heißt: einen leeren
Tisch. Viel konnte es nicht gewesen sein, so mager und ausgezehrt, wie das
Opfer da in dem Flur vor ihr gelegen hatte.
    Als sie bereits beim Nachtisch war, der sich aus einer
Zigarette plus einem langen Blick auf die Kaiserstallung zusammensetzte,
klingelte das Telefon. In Vorfreude über die Aussicht auf ein angenehmes
Gespräch mit Paul Zankl nahm sie den Hörer bereits nach dem ersten Läuten ab.
Es war tatsächlich Paul, der es in ihrem Leben mittlerweile zu einer festen
Konstante geschafft hatte. Er wollte wissen, ob sie ihn am Freitagabend zu
einem Heimspiel des 1.  FCN begleitete.
    »Ich habe von einem Arbeitskollegen zwei Dauerkarten
bekommen. Im Block 15 B, beste Lage, Sitzplätze. Es wird ein
hochinteressantes Spiel – der Club spielt gegen Schalke. Na, was ist, Paula?
Gehst du mit? Machen wir uns einen schönen Freitagabend!«
    Am liebsten hätte sie auf der Stelle Nein gesagt. Bei
dieser Kälte zwei Stunden im Freien zu verbringen, das fand sie nicht
hochinteressant, sondern öde. Extrem langweilig. Wenig verlockend. Doch da sie
ihm in letzter Zeit schon etliche solcher Bitten abgeschlagen hatte, er ihr
aber umgekehrt nicht, sie also in seiner Schuld stand, sagte sie erst mal
nichts, sondern überlegte. Begab sich auf die Suche nach einer glaubwürdigen
Entschuldigung, wobei sie jedoch auf die Schnelle nicht fündig wurde. Paul
allerdings missverstand dieses nachdenkliche Schweigen.
    »Gell, da bist du platt. Prima, du kommst also mit.
Ich hol dich dann am Freitag von der Arbeit ab.

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