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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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Passt dir halb sechs?«
    »Was, so früh? Das Spiel beginnt doch erst um acht.«
    »Das ist nicht früh, das ist spät. Weil wir mit den
Öffentlichen fahren. Mit dem Auto brauchst du es da gar nicht zu versuchen –
keine Chance auf einen Parkplatz. Und dann wollen wir doch noch die Atmosphäre
vor dem Spiel genießen. Ich sag dir, wenn du einmal das Lied ›Die Legende lebt‹
gehört hast, willst du ab sofort zu jedem Heimspiel. Das kann richtig zur Sucht
werden. Das ist so was von ergreifend, da spielt das Ergebnis fast keine Rolle
mehr. Du als Nürnbergerin müsstest da eigentlich jedes zweite Wochenende
draußen sein.«
    Er hatte schnell gesprochen und für einen Oberpfälzer
erstaunlich viele Worte gemacht. Hatte er schon sein Tagesquantum von drei
Halben Bier intus, oder war es die Vorfreude auf das Spiel, die ihn mitgerissen
hatte?
    »Also gut, wenn du bis Freitagfrüh nichts von mir
hörst, geht das klar. Aber ich warne dich lieber schon mal vor: Ich habe
nämlich seit heute einen Fall, einen ausgesprochen komplizierten, den wir in
zehn Tagen gelöst haben müssen – vielleicht kann ich am Freitag gar nicht weg.«
    »Da kannst du schon weg, da bin ich mir ganz sicher«,
widersprach er gut gelaunt. »Du hast ja zwei Mitarbeiter, spann die doch ein.
Und das kann ich dir gleich sagen: Wenn du jetzt wieder nicht mitkommst, nehme
ich dir das gewaltig übel. Ich habe mir in letzter Zeit bei dir bloß Absagen
eingefangen, ich mache doch umgekehrt auch alles mit, wenn du was von mir
willst, beziehungsweise unterstütze dich, wo immer es geht!«
    Sie zog eine Grimasse in Richtung Hörmuschel. »Ja, das
weiß ich. Ich sag ja nur, dass es eventuell sein könnte, dass ich kurzfristig
umdisponieren muss. Und außerdem habe ich ab heute nicht mehr zwei Mitarbeiter,
sondern nur noch Heinrich. Und der kommt eigens morgen aus dem Krankenstand
zurück, um mich bei diesem dringenden Fall zu unterstützen.«
    Nachdem Paul nichts darauf sagte, nicht einmal nach
den Gründen fragte, die zu diesem Knall auf Fall halbierten Mitarbeiterstab
geführt hatten, ahnte sie, was er von ihr erwartete – eine endgültige Zusage
ohne Wenn und Aber.
    »Aber ich denke schon, dass ich es einrichten kann.
Das wird bestimmt klappen, Paul.«
    Als sie immer noch nichts von ihm hörte, setzte sie
hinzu: »Das klappt hundertprozentig. Also dann sehen wir uns spätestens Freitag
um halb sechs vor dem Präsidium.«
    Nachdem er nun endlich gehört hatte, was er hören
wollte, stellte er die Fragen, die sie hören wollte. Am Ende des
zweiundsiebzigminütigen und stellenweise sehr vergnüglichen Telefonats hörte
sie sich zu ihrer eigenen Verwunderung sagen: »Ich freu mich schon auf das
Spiel, schön, dass wir so tolle Plätze haben.«
    Noch lange, nachdem er aufgelegt hatte, dachte sie
über ihre feste Zusage nach. Jetzt hatte er sie doch noch drangekriegt.
Vielleicht würde es ja ganz nett werden. Zumindest war es eine neue Erfahrung, die
in drei Tagen auf sie zukommen würde. Aber das Beste daran war: Das
Haben-Soll-Konto zwischen seinen und ihren Kompromissen war damit ausgeglichen.
Na ja, fast. Ab Freitagabend stand der Zähler bei ihr auf jeden Fall wieder auf
null.

3
    Auch am nächsten Morgen schreckte sie ihr
Dauergast, der unerbittliche Stalker, aus dem Schlaf hoch. Diesmal war sie ihm – fast – dankbar, hatte er sie doch aus einem schlimmen Traum erlöst: Sie war
in Elvira Platzers Wohnung gefangen gewesen, stand starr und hilflos in der
Diele, genau an der Stelle, wo man die Tote gefunden hatte. Und überall, links,
rechts, hinter ihr und vor der Wohnungstür, stapelten sich die Obstkisten bis
zur Decke, fragile, aber furchteinflößende Gebilde, die immer näher zu kommen schienen.
    Was hatte das zu bedeuten? Hatte sie Angst vor diesem
Fall, glaubte sie insgeheim zu versagen? Oder war auch das – wie so manches
andere, wie ihre wachsende Ungeduld, die immer größer werdende Abneigung gegen
Hetze jeder Art und das schlagartig eingetretene Unvermögen, auf den
Schraubdeckeln der Gurkengläser das Mindesthaltbarkeitsdatum entziffern zu
können – eine dieser lästigen Begleiterscheinungen, die das Alter mit sich
brachte? Kamen mit dem unsäglichen Geburtstag nun auch unweigerlich durch
Alpträume nass geschwitzte Nächte auf sie zu, die sie die letzten zwanzig Jahre
so gut wie traumlos verbracht hatte? Mit einem Ruck sprang sie aus dem Bett und
verbot sich, weiter darüber nachzudenken.
    An diesem Morgen gab sie sich Mühe, die

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