Mord in der Vogelkoje
Essen auf der Back liegen lasse und kurz nach unten gehe. Zutraulich sind sie ganz bestimmt nicht.«
Ingwert lachte leise und schien sehr angetan von den Voraussetzungen, die seine Besucher mitbrachten.
Sie machten es sich auf dem Baumstamm am Ostrand des Teichs bequem. In deren Mitte befand sich eine Schilfinsel, und vereinzelt breiteten sich Seerosenblätter auf dem Wasser aus.
Ingwert war Asmus’ staunendem Blick gefolgt. »Ich dulde Bewuchs, den ich allerdings in Grenzen halte. So wirkt der Teich für die Enten natürlicher«, erklärte er schmunzelnd. »Für die Fische auch. Ich habe in meinem Hain auch mehrere Spechthöhlen aufgehängt – es gibt in anderen Gegenden Vereine, die sich um Vögel sorgen und ihnen Nistkästenbauen. Die Idee finde ich so gut, dass ich sie übernommen habe.«
Ose legte spontan ihre Hand auf die des alten Koymanns. »Nicht jeder, der die Natur schützt, ist so bekannt wie Ferdinand Avenarius. Die Enten, die Vögel und die Fische in deinem Teich schätzen deine Fürsorge wahrscheinlich mehr als einen Aufsatz in einer Zeitschrift.«
Kurze Zeit später schwamm eine Stockente heran mit fünf Kleinen im Kielwasser.
»Da sind meine Lieblinge schon.« Ingwert holte mit zufriedener Miene seine Tabakpfeife heraus, um sie zu stopfen. »Zu dieser Jahreszeit darf ich das«, lieferte er als Erklärung dem erstaunten Asmus ab. »Bis zum Beginn der Saison stören sie sich nicht an meinem Geruch, zu dem auch Tabakrauch gehört. Wie gesagt, sie sind lernfähig. In der Fangzeit trage ich ein Räucherfass mit schwelendem Torf mit mir, um sie zu überlisten. Das gehört zu meinem Broterwerb.«
»Tatsächlich.« Asmus konnte diesen Tieren seine Bewunderung gar nicht versagen. Stumm beobachtete er sie.
»Was willst du wissen, Nis?«
»Zuerst eine Frage, um meinen Kenntnisstand aufzubessern: Wohin verkauft die Eidumer Koje den Fang?«
»Wir haben zwei Wege: einmal über die Hamburglinie nach Hamburg und einmal über Tondern nach Kopenhagen. Glücklich sind wir mit beidem nicht. Die Dampfergesellschaft nimmt nicht gerne unsere Fracht auf, weil sich unser Platzbedarf nicht gut kalkulieren lässt, wie sie sagen, aber das könnte vorgeschoben sein. Die Fähre von Munkmarsch wiederum verkehrt vor allem im Herbst und Winter zu unregelmäßig, und dann dauert die Fahrt zu lang, um die Enten als frisch zu verkaufen. Deswegen fiebern wir der Fertigstellung des Wattenmeer-Damms entgegen. Die Rantumer Koje und unsere haben schon Verträge für die Fracht mit der Eisenbahn abgeschlossen.«
»Dann gehört ihr ja zu den wenigen, die sich trotz allem über den Damm freuen«, scherzte Asmus. »Jetzt zum Ernst. Wie lange hast du Dücke Eskeldsen gekannt?«
»Dücke?«
»Ja.«
»Viele Jahre. Ich habe ihm die Arbeit in der Koje beigebracht.«
»Nicht sein Vater?«
»Nein. Dückes Vater war Fischer mit eigenem Boot, und der älteste Sohn hat Gewerbe und Schiff übernommen. Dücke mochte die offene See nicht, wohl aber Wasser ohne großen Wellengang. Er liebte die Arbeit in der Koje.«
»Hast du gehört, dass er tot ist?«
»Ja.«
»Hast du auch gehört, wie er zu Tode kam?«, forschte Asmus.
»Am Roten Kliff. Hat sich den Hals gebrochen. Muss irgendwie mit einem Abbruch von Gestein nach unten gerutscht sein.«
Asmus schüttelte den Kopf. »Stimmt nicht. Er wurde in den sanft welligen Dünen am Leuchtfeuer Rotes Kliff gefunden.«
»Was?« Ingwert war entsetzt. »Das ist unmöglich!«
»Aber als Tatsache bestätigt«, bekräftigte Asmus. »Ich frage mich allerdings, wie wahrscheinlich es ist, dass es so ablief.«
»Genau. Dücke ist doch kein dusseliger Badegast. Selbst dem fiele es schwer, sich in den Dünen den Hals zu brechen. Kann es sein, dass ihm jemand einen Schlag über den Schädel verpasst hat?«
»Ich wundere mich, dass du sofort einen solchen Verdacht für möglich hältst, Ingwert.«
»Na ja.« Ingwert zögerte lange. Asmus' Schweigen nötigteihn zum Weitersprechen. »Es gibt eben Umstände, unter denen man auf seltsame Gedanken kommt.«
»Welche?«
Der Koymann druckste herum, grunzte und zog an seiner Pfeife. »Dücke war kein Dummer. Er meldete seine Fangzahlen korrekt. Wie bei allen Kojen gingen sie mit den Jahren herunter. Aber nie sprunghaft. Unsere Interessenten denken deshalb nicht ans Aufhören, denn das Geschäft lohnt sich trotzdem. Nur von der Kampener Koje hieß es plötzlich, dass die Einnahmen die Ausgaben nicht deckten. Dücke bezweifelte das.«
»Willst du damit
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