Mord in der Vogelkoje
er nicht einmal. Das macht mich noch nervöser.«
»Und wie oft kommen die Schüsse?«
»Mindestens einmal täglich, zu unregelmäßigen Zeiten«, antwortete der andere, der etwas vernünftiger und weniger empfindlich schien. »Jagt da vielleicht jemand Seehunde?«
»Nein. Das ist im Mai verboten. Hat er heute schon geschossen?«
»Noch nicht.«
»Gut, wir werden uns unverzüglich auf die Suche nach dem Schützen machen«, versprach Asmus. »Wenn Sie mir Ihren Namen verraten, kann ich Sie benachrichtigen, damit es auch mit mehr als zwei Zeilen klappt.« Mit gezücktem Bleistift sah er den Dichter, oder was immer er sein mochte, auffordernd an.
»Na gut.« Der Weißhaarige zögerte. »So viel Unterstützung hatte ich gar nicht erwartet. Aber wenn Sie meinen … Tiglat-Pileser Müller. Tiglat …«
»Pileser mit Bindestrich, ich weiß. Ein assyrischer Königsname dürfte aber Ihr Künstlername sein, als Taufname wäre er nie durchgegangen.« Er brachte den Namen schnell zu Papier.
»Herr Wachtmeister …«, stammelte Müller überwältigt. »Ich bin selten jemandem begegnet, der diesen Namen einordnen konnte.«
»Nun, auf Sylt sind wir Polizisten gebildet. Sie können uns Ihre Sorgen immer anvertrauen. In Berlin wahrscheinlicheher nicht.« Asmus salutierte und drehte sich um, um beinahe Matthiesen auf die Füße zu treten, der hinter ihm stand und den er nicht hatte kommen hören. Matthiesen verkniff sich nur mit Mühe das Lachen.
»Hast du den Tiger-Dings mit Absicht geärgert?«, rief Matthiesen in Asmus’ Ohr, als sie sich weit genug entfernt hatten.
»Der erlaubte sich, uns wegen des Motorengeräusches mit Kopfschütteln zu tadeln. Solchen Hochmut muss man brechen«, antwortete Asmus über seine Schulter hinweg. »Der Kerl ist schließlich kein assyrischer König, auch wenn er sich dafür hält.«
»Da hast du recht. Aber ich hatte wirklich Angst um dich. Sinkwitz würde eine Beschwerde mit Wonne gehört haben.«
»Die Gefahr ist gebannt. Sieh mal, die Klöntür von Petersen ist oben zu. Da ist wahrscheinlich niemand zu Hause.«
Sie betraten trotzdem das Grundstück. Auf ihr Klopfen rührte sich nichts, worauf sie um das Haus herumgingen. Vor dem Obstgarten befand sich ein Teich, in dem Stockenten gründelten. Einige watschelten unter den Bäumen herum und suchten sich dort ihr Futter, wo auch ein Entenhaus auf Stelzen stand. Ein offenes Tor führte auf eine größere Weide, zu der die Enten Zugang hatten.
Jenseits des Walls, der den Garten vom Nachbargrundstück trennte, tauchte mit neugieriger Miene eine Frau mit Kopftuch auf. Da sie nicht ungesehen verschwinden konnte, sah sie sich wohl zu einer Auskunft genötigt. »Die Petersens sind in aller Frühe aufs Festland gefahren«, rief sie herüber.
»Wissen Sie für wie lange?«
»Nein, keine Ahnung.«
»Aber wohl für länger«, fügte eine männliche Stimme von jemandem, der nicht sichtbar war, hinzu. »Sie hatten zwei Koffer mit.«
»Vielen Dank für die Auskunft«, sagte Asmus laut.
»Vermutlich wissen sie, bis wann sie Gerste zufüttern sollen«, raunte Matthiesen Asmus zu. »Wenn nicht, müssen sie die Enten trotzdem wegen der Raubvögel nachts einsperren und morgens rauslassen. Die wollen nur nicht reden.«
»Da wir jetzt schon hier in Kampen sind, machen wir uns auf die Suche nach dem Schützen«, ordnete Asmus etwas verärgert an. »Er muss etwas mit der Entenkoje zu tun haben. Also auf zur Koje, da beginnen wir und ziehen dann Kreise um das Gelände.«
Mit großer Sicherheit war ihr Motorrad gehört worden. Wahrscheinlich verbarg sich der Kerl bereits, der alle zum Narren hielt. Oder er versteckte nur das Gewehr und wanderte pfeifend, mit den Händen in den Hosentaschen, nach Hause.
Ein Mann mit dieser Beschreibung begegnete ihnen natürlich nicht, als sie die Landstraße nach Norden entlangfuhren. Das Motorrad stellten sie wie üblich vor dem breiten, das Kojengelände umfassenden Graben ab und betraten die Koje über die Brücke.
Hier drin war es wunderbar still, abgesehen davon, dass bei genauem Hinhören Vögel zwitscherten und leises Entenquaken sie empfing, als sie sich dem Teich näherten.
»Geh du in der anderen Richtung um den Teich, so nah am Ufer wie möglich«, flüsterte Asmus. »Wir treffen uns dann irgendwo. Solltest du den Kerl bemerken, brüll nach mir und versteck dich oder lauf weg.«
Matthiesen nickte und fasste nach seinem Säbel, der ihm hier kaum nützen würde.
Eine halbe Stunde später trafen sie
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