Mord in der Vogelkoje
sagen, dass Petersen die Fangzahlen fälschte?«
Ingwert holte tief Luft und musste wegen des Rauches husten. »Keine Ahnung. Aber Dücke hatte den Eindruck. Die Abrechnungen, die er bekam, stimmten nicht. Der Lohn, der vertraglich zugesichert war, war in Ordnung. Aber nicht die Zusatzprämie für die gefangenen Vögel. Die war nach Dückes Rechnung zu niedrig.«
»Damit ich das richtig verstehe«, sagte Asmus, »jede gefangene Ente bringt zusätzlich Geld …«
»Fürs erste Tausend die gleiche Summe – das ändert sich wegen der Inflation wöchentlich –, fürs zweite und jedes weitere Tausend etwas mehr. Und diese Summe stimmte nicht. Petersen verschwieg Tausende von Enten.«
»Unterschlug sie, mit anderen Worten«, berichtigte Asmus.
»Ja.«
»Und das war nicht nur zum Schaden von Dücke, sondern veranlasste die Interessenten, über die Fortführung des Geschäfts nachzudenken.«
»Stimmt. Aber Dücke und ich vermuteten, dass er eben einen Schaden durch ein reines Versehen beim Abrechnen erlitten hatte. An Absicht hatten wir nicht gedacht.«
»Und dann?«
»Dücke wollte mit Petersen reden. Seitdem habe ich mit ihm nicht mehr gesprochen.«
»Nicht erstaunlich, da er sich zufällig den Hals brach.«
»Ja. Eben. Das ließ auch mich eine andere Erklärung vermuten als ein Versehen.«
K APITEL 10
Das Wetter blieb warm und der Wind handig aus Süd. Bestes Segelwetter. Trotzdem fuhren Asmus und Matthiesen zu Nickels Petersen nach Kampen. Zu viele Fragen hatten sich angehäuft, die nur er beantworten konnte. Abgesehen vom Verdacht der Fälschung von Fangzahlen.
Die wenigen Kampener, die sie sahen, verzogen sich in die Häuser, als sie das Geknatter des Motorrads hörten. Zwei Gäste, als Fremde gut in ihren sportlichen Knickerbockerhosen auszumachen, standen schwatzend beieinander. Einer von ihnen schüttelte deutlich missbilligend den Kopf, die Augen empört fest auf Asmus gerichtet. Seine weißen, bis zu den Schultern herabwallenden Haare gerieten durcheinander. Künstler aus der Sommerhauskolonie, dachte Asmus spontan.
Dann fiel ihm etwas ein. Diese ungehörige Stellungnahme von Gästen würde er abstellen. Er drosselte die Geschwindigkeit und stellte den Motor ab. »Bin gleich wieder da«, raunte er Matthiesen zu und schritt zu den Gästen zurück.
»Moin, die Herren«, grüßte er nicht besonders freundlich und salutierte lässig. »Haben Sie etwas gegen unsere Anwesenheit? Habe ich die Frisur des Herrn durcheinandergebracht? Das täte mir leid.«
Der Langhaarige wirkte verblüfft und trat einen Schritt zurück. »Nun …«
»Nun?«, fragte Asmus.
»Sie waren so laut …«, fiel ihm ein.
»Ich störe? Wissen Sie, mit dem Fahrrad kann man auf einer so großen Insel wie Sylt als Polizist von Westerland aus kaum für Ordnung sorgen. Das geht in einem Berliner Bezirk, hier nicht.«
»Ich verstehe«, murmelte der Künstler betreten.
»Ich muss dann gehen«, sagte der andere hastig.
»Einen Augenblick. Ich könnte mir Ihre Papiere herausgeben lassen, um sie zu kontrollieren, wissen Sie das?«
»Ja. Aber ich habe sie …«
» … beim Spaziergang als Sommerfrischler nicht dabei, das ist mir klar. Ich will Sie auch nicht überprüfen. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich diese Geste der Missbilligung als ungezogen empfunden habe.«
»Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?«, schnauzte der Weißhaarige, der sich inzwischen erholt hatte.
»Nein, und solange Sie keine Ordnungswidrigkeit begehen, interessiert es mich auch nicht. Möchten Sie meinen Namen erfahren, damit Sie sich über mich beschweren können?«
»Möchte ich nicht! Eher würde ich mich gerne über die Schüsse beschweren, die mich bei meiner Arbeit stören.«
»Sehr gerne«, sagte Asmus und frohlockte innerlich, während er sein Notizbuch herauszog. Seine Taktik hatte ja einen ganz unerwarteten Erfolg, mit dem er wahrlich nicht gerechnet hatte. »Sind es Gewehr- oder Schrotschüsse?«
»Das weiß ich doch nicht.«
»Mehr hell oder mehr dunkel?«, fragte Asmus beschwichtigend.
»Ich glaube hell. Knallend, irgendwie.«
»Aus welcher Richtung kommen sie?«
»Immer von der Meerseite.« Der Weißhaarige winkte Richtung Festland.
»Aus Osten also. Haben Sie den Schützen mal gesehen?«
»Nein, und auch niemand anders hat ihn gesehen, das ist es ja«, brach der Mann klagend aus. »Aber glauben Sie, ich brächte nur zwei Zeilen zu Papier, wenn ich immerfort lausche, weil ich auf den nächsten Schuss warte? Und dann kommt
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