Mord in der Vogelkoje
erreicht.
Als Jep Asmus an seinem Haus absetzen wollte, sahen sie, dass in Asmus’ Wohnung Licht brannte. »Was soll dasdenn? Das ist mein Wohnzimmer«, sagte Asmus ärgerlich. War sein Vermieter Bonde Sibbersen womöglich dort gewesen und hatte das Licht brennen lassen?
»Wenn dir das komisch vorkommt, gehe ich lieber mit hinein«, entschied Jep und stellte den Motor aus. »Wer weiß, wer da drin lauert? Hank vielleicht?«
»Bonde lässt niemanden hinein, den er nicht kennt.«
Leise schlichen sie durch den Flur und zogen lautlos die Tür zum Wohnzimmer auf.
Auf dem Sofa saß Lorns Matthiesen mit geschlossenen Augen. Sein Gesicht hatte die gesunde Röte des Bauernsohns verloren und war so käsig, dass es gegen den grünen Samt der Rücklehne abstach. Die Hand krampfte sich um die Flinte, die er offenbar schussbereit gemacht hatte, bevor er eingeschlafen war.
»Lorns«, rief Asmus leise, um ihn nicht zu erschrecken, aber sein Kollege riss die Flinte in die Höhe und legte an.
»Ach, ihr seid es«, sagte er dann erleichtert und ließ die Waffe auf den Boden sinken.
»Was ist passiert?«
Matthiesen rubbelte sich die Wangen, um sich wach zu machen. »Schlimmes. Dres wurde unterwegs erschossen und der Sanitäter neben ihm am Arm verletzt. In der Kutsche, nicht weit hinter Kampen.«
»Und der Kutscher?«
»Wir beide sind wohlbehalten. Die Kugel, die den Sanitäter streifte, muss zwischen uns durchgeflogen sein.«
»Und das Pony? Ist das dem Kutscher nicht durchgegangen?«
»Im Gegenteil. Es blieb stehen. Und wer immer da schoss, muss gewusst haben, dass er getroffen hatte. Nach dem zweiten Schuss hörte der Beschuss auf. Ich konnte niemanden sehen und auch nicht flüchten hören …«
»Kugel?«
»Ja.«
»Ein treffsicherer Schütze mit einem Gewehr, dessen Munition Kugeln sind. Da würde ich sofort Hank verdächtigen«, riet Asmus, ohne lange nachzudenken. »Der ist offenbar Jäger. In Amerika dürfen sie auf alles schießen, was sich bewegt, soviel ich weiß. Wobei ich hauptsächlich Großwild meine.«
»Nis, wir sind doch alle nicht mehr im Dienst. Lorns braucht einen Schnaps, und wir beide könnten auch einen vertragen. Hast du so was im Haus?« Jep fragte sehr entschlossen.
Asmus hörte ihm erstaunt zu und nickte. »Klar. Ich wohne schließlich im Haus eines Kaufmanns.« Bevor er in die Küche ging, warf er noch einen besorgten Blick auf Matthiesen. Der erholte sich jedoch zusehends.
»Ich habe noch einen Schuss ins Blaue abgegeben«, hörte Asmus Lorns berichten. »Aber was richtet Schrot schon auf die Entfernung aus, selbst wenn ich jemandem ein Kügelchen in die Pobacke habe brennen können?«
»Wusstet ihr schon in der Kutsche, dass Dres tot war?«, fragte Asmus, als er mit Flasche und Gläsern zurück war.
»Der Sanitäter meinte es. Aber so genau konnte er Dres ja auch nicht untersuchen, er hatte genug damit zu tun, das Blut aus seiner eigenen Wunde zu stillen. Glücklicherweise hatte Doktor Godbersen Dienst. Blattschuss, sagte er schon nach einer flüchtigen Untersuchung von Dres. Genau ins Herz. Dann nahm er den Sanitäter mit, um ihn zu verbinden. Du bekommst einen schriftlichen Bericht von ihm.«
»Interesse daran, Dres den Mund zu verschließen, hatte vor allem Hank. Dres stammt aus Süderlügum auf dem Festland und hatte wohl hier keine Freunde«, sinnierte Asmus und schenkte ein. »Aber über die Fabrik hatte er sich sicher eine Menge zusammengereimt. Ich vermute, dass diesen Teildes Geschäftes Hank in der Hand hat, während Petersen sich wohl mehr um die Koje kümmert.«
Jep lauschte aufmerksam, während Lorns das Schnapsglas aus der Hand zu gleiten drohte, weil er schon wieder am Einschlafen war.
Asmus sprang hinzu und nahm es ihm behutsam ab. »Wir müssen verhindern, dass Hank aus Sylt abhaut«, sagte er entschlossen. »Was wiederum bedeutet, dass wir die Häfen Hörnum und Munkmarsch bewachen müssen. Am besten wird sein, dass du, Jep, in Munkmarsch Wache schiebst und dir den Amerikaner von Mart zeigen lässt, falls er dort aufkreuzt. Matthiesen, der Hank kennt, muss die Passagiere des Hamburg-Dampfers überwachen. Das alles gleich morgen, bis wir ihn haben.«
»Und du, was machst du?«, fragte Jep.
»Ich muss Sinkwitz von der Wichtigkeit des Falls überzeugen und Petersen bearbeiten. Irgendwie muss ich ihn dazu bringen auszupacken! Ich kann nicht akzeptieren, dass man um eine Dosenfabrik mit vorgekochten Enten oder auch Enten und Austern ein solches Geheimnis macht.
Weitere Kostenlose Bücher