Mord in der Vogelkoje
ihn nur als prinzipiell zuverlässigen Geschäftsführer, der stets ordnungsgemäß abgerechnet hat.«
»Mag sein«, gab Asmus zu. »Hank Christensen ist die treibende Figur, vielleicht fälschte Petersen die Abrechnung über die Entenfänge erst, nachdem ihm Hank einen vielversprechenden Plan mit außerordentlichen Gewinnaussichten unterbreitet hatte.«
»Tja, widerlegen kann ich Sie nicht, Asmus. Wenn aber Christensen den amerikanischen Konsul zu seiner Verteidigung aufruft, befinden Sie sich in Teufels Küche. Sie gehen auf eigenes Risiko vor.«
»Das habe ich mir bereits gedacht, Hauptwachtmeister.«
»Werden Sie nicht unverschämt, Asmus!«, schnaubte Sinkwitz.
Asmus ging grußlos.
Jep und Lorns waren schon unterwegs, um ihre Wachposten zu beziehen. Ausnahmsweise befand sich im großen Raum der Wache Oberwachtmeister Alfred Jung, der gerade im Tagesjournal Einträge machte.
»Oh, moin, OWM«, grüßte Asmus überrascht, tauchte der Mann doch selten in der Wache auf, weil er meistens dienstlich unterwegs war.
»Moin, moin, Asmus«, brummte Jung.
»Haben Sie auch so einen komplizierten Fall zu bearbeiten?«, forschte Asmus kameradschaftlich.
»Neugierig?«
Nein, eigentlich nicht. Aber es hatte sich schon immer bewährt, wenigstens in kurzen Zügen über die Arbeit der anderen Bescheid zu wissen, denn häufig ergaben sich unerwartete Verbindungen zwischen den Fällen. Eins und eins ergab nicht immer zwei, sondern zuweilen drei oder vier. Asmus hatte in Rostock seine Untergebenen regelmäßig über alles, was anlag, informiert.
Sinkwitz kannte diese Art der Zusammenarbeit nicht, und Asmus brach das Gespräch mit Jung ab. Manche Menschen waren besser für die Einsiedelei geeignet als für die Arbeit in der Gruppe.
Jung ging hinaus, sprach kurz mit Sinkwitz und kam mit Degen und Tschako zurück. Danach verließ er die Wache.
Als das Geräusch des Motorrads verklungen war, schlug Asmus das Journal auf, um nachzulesen, womit Jung befasst war.
Es handelte sich um einen Motorraddiebstahl in Tinnum. Das Gefährt wurde seit einigen Wochen vermisst. Asmus konnte dem Besitzer die Empörung durchaus nachfühlen. Fahrzeuge dieser Art waren teuer, besonders eine BMW. Sein Motorrad hatte er nur mit Hilfe seiner Brüder bezahlen können, die als Besitzer der Rostocker Reederei trotz der Verluste im Krieg mehr Geld als er hatten.
Die Frage war, wie der Dieb damit über die Straßen von Sylt fahren konnte, ohne dass jemand das Motorrad erkannte. So viele gab es nicht auf der Insel. War es ein Dummejungenstreich, und die Bengel hatten das Fahrzeug zu Schrottgefahren und versteckt? Im Watt versenkt? Oder fuhr der Dieb nur bei Dunkelheit? Um dann was zu tun? Ein sehr eigenartiger Diebstahl auf einer Insel, dessen Aufklärung Jung sich vermutlich noch nicht angenähert hatte. Als Asmus das Journal durchblätterte, fand er mehrere Eintragungen, in denen nirgends von einem Erfolg berichtet wurde.
Nachmittags fuhr Asmus nach Kampen zu Nickels Petersen. Er fand ihn bei offenem Fenster auf dem Sofa liegend vor. »Nanu«, sagte Asmus erstaunt. »Sind Sie krank?«
»Schweres Nervenreißen«, stöhnte Petersen kurz. »Setzen Sie sich doch. Es erwischt mich ab und zu«, spottete er über sich selbst. »Wenn ich auf dem Dach rumgekrochen bin, um ein Loch zu stopfen, oder Entendreck vergraben habe …«
Asmus betrachtete ihn aufmerksam, während er den Stuhl unter dem ovalen Tisch hervorzog und sich setzte. In der Nacht war Petersen noch kregel gewesen, aber Nervenattacken waren tückisch und kamen schnell, wie er wusste. »Ich wollte mich gerne mit Ihnen über das unterhalten, was letzte Nacht passiert ist.«
»Tatsächlich.« Petersen rührte sich und keuchte vor Schmerz.
»Wie lange kennen Sie Dres?«
»Seit dem Herbst. Hank Christensen hat ihn als Wächter für die Fabrik eingestellt, und ich bin ihm erstmals auf dem Gelände begegnet.«
»Bisher haben Sie abgestritten, den Fabrikbesitzer zu kennen. Sie haben immer von einer Gesellschaft gesprochen.«
Petersen zuckte gleichgültig die Schultern. »Hank ist ein angenehmer und liebenswerter Bekannter. Ich bin doch nicht verpflichtet, über ihn Auskunft zu geben, nur um Ihre Neugier zu befriedigen.«
»Wissen Sie, Herr Petersen, wenn die Polizei sich nach jemandem erkundigt, ist es nie Neugier.«
»Aber auch kein offizielles Verhör.«
»Christensen will Enten verarbeiten. Woher bekommt er die?«
»Aus unserer Koje«, sagte Petersen mit schiefem Lächeln. »Das darf
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