Mord in der Vogelkoje
schüttelte den Kopf. »Ich fürchte mich vor der See. Warum?«
Asmus zog ihn beiseite und sprach so leise, dass Dres ihn auf keinen Fall hören konnte. »Mein Boot muss verlegt werden. Es wird die Gesellschaft der Gauner irritieren, wenn sowohl meine Franziska als auch ihr Wächter verschwunden sind. Sie werden sich diese Tatsachen nicht erklären können. Vielleicht geraten sie in Aufregung und begehen Fehler.«
»Ja, das ist schlau. Aber es hilft alles nichts, ich kann mit einem Boot nicht umgehen.«
Asmus hatte bereits einen Ausweg gefunden. »Jep, du kennst doch Bahnsen von der Werft in Munkmarsch?«
Jep nickte.
»Könntest du zu ihm fahren – mein Motorrad liegt irgendwo außerhalb des Zauns – und ihn bitten, mein Boot so schnell wie möglich nach Hörnum zu verlegen? Du kannst ihn dann von dort abholen. Er fährt nicht gerne mit dem Zug. Die Franziska muss jedenfalls aus dem Hafenbecken von Munkmarsch verschwinden. Vielleicht hat Bahnsen auch eine bessere Idee, wo er mein Boot außer Sicht bringen könnte, als Hörnum.«
»Ist es nicht zu spät?«
»Hans-Christian ist über sechzig, der schläft nicht so viele Stunden. Wenn doch, klopf ihn wach, und bitte in meinem Namen um Hilfe.«
Jep zögerte. »Aber du bist hier allein. Das gefällt mir nicht.«
Asmus lachte verhalten. »Ich passe schon auf mich auf.«
»Bei allem Respekt, Nis, aber haben wir das nicht gerade gesehen?«
Asmus verzog das Gesicht. »Ich gebe es zu. Doch es ist die einzige Möglichkeit, um keine Zeit zu verlieren. Und einer muss Dres bewachen und auf die Klinikkutsche warten.«
»Zwei«, warf Tiglat-Pileser ein.
»Richtig!« Was Asmus verschwieg, war die vage Möglichkeit, dass Petersen in Begleitung des Verantwortlichen auftauchen könnte. Jep würde ihnen wahrscheinlich hilflos gegenüberstehen, weil er die Geschichte in ihren ganzen Ausmaßen nicht kannte und vor allem nicht die Gefahr, die von den beiden Männern ausging. Das konnte er, Asmus, nicht riskieren, deshalb musste Jep nach Munkmarsch fahren.
»Na, dann«, sagte Jep gleichmütig und machte sich zum Tor auf.
Als er fort war, packte Asmus den Wächter am unverletzten Arm und schleifte ihn in den Raum, in dem er selbst gefangen gehalten worden war. Dres stöhnte, leistete aber keinen Widerstand. Am liebsten hätte Asmus ihn geknebelt, aber angesichts seines bleichen Gesichtes, das im Mondlicht die Farbe eines jungen Ziegenkäses hatte, verzichtete er darauf. Er schloss zu und zog den Schlüssel ab, ebenso wie den der Küchentür und des letzten Raumes, und steckte alle drei ein.
Voller Unruhe wartete Asmus auf die Ankunft des Krankentransports, immer mit einem Ohr zur Straße. Daneben erzählte er Müller in Auszügen, was passiert war. Genug, um dessen Neugier zu stillen und ein Epos zu füllen, aber nichts, woraus er hätte Schlüsse ziehen können, um sie in der Künstlerkolonie zu verbreiten.
Endlich waren Stimmen und das Quietschen des einen Torflügels zu hören. Aber keine Kutsche.
»Kommen Sie!«, zischte Asmus und zog Müller hinter die Hausecke. »Das sind nicht Matthiesen und die Sanitäter! Verstecken Sie sich in Dres’ Hütte. Schnell!«
»Wer kommt denn?«
»Unsere Gegner, vermute ich. Und seien Sie um Gottes willen leise!«
Dass der Künstler nickte, fühlte Asmus nur. Dann schwebte Tiglat-Pileser mit ausgestreckten Armen und wehender Mähne über das Gras davon.
Als die Männer näher kamen, konnte Asmus verstehen, worüber sie sprachen.
»Hier geht ja wirklich alles Mögliche schief«, bemängelte eine Stimme, die Asmus sofort als die von Hank Christensen erkannte.
»Das liegt daran, dass wir einen neuen, wirklich scharfen Polizeihund haben«, schimpfte Petersen erbittert. »Früher war der Umgang mit der Polizei leichter. Sinkwitz, das ist der Leiter der Polizeistelle in Westerland, hätte sich mit ein paar Dosen mehr als Deputat zufriedengegeben und sich nicht weiter um uns gekümmert.«
»An die Möglichkeit, dass ein neuer Besen gut kehrt, hätten Sie wohl eher denken sollen. Aber dafür ist es zu spät. Unsere Sorge ist jetzt, wie wir uns des Polizisten unauffällig entledigen. Dass er ein Segelboot besitzt, wie Sie sagten, ist ein glücklicher Zufall, der uns in die Hände arbeitet.«
Petersen und Hank betraten das Haus.
Asmus schlich den beiden Männern hinterher, um lauschend an der Außentür stehen zu bleiben.
»Asmus!«, rief Petersen fordernd.
»Was heißt hier Asmus!«, heulte drinnen Dres. »Ich bin hier drin.
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