Mord in der Vogelkoje
Schreibarbeiten. Morgen früh reden wir dann mit Petersen und verhören anschließend die Bauarbeiter. Mir scheint es logisch zu sein, dass die beiden Dres’ Geld an sich genommen haben, sofern sie davon wussten.«
Am Abend kam Ose in wilder Fahrt angeradelt und stürzte zu Asmus hinein, der gerade dabei war, sich Abendessen zu machen.
Asmus ließ vor Schreck das Ei mit Schale in die Pfanne fallen. »Was ist jetzt passiert?«
»Nickels Petersen liegt in der Klinik!«
»Habe ich es mir doch gedacht!«
»Nein, es ist anders«, stieß Ose aus, immer noch schwer atmend. »Er ist nicht wegen der Schrotkugeln gekommen, sondern mit hohem Fieber eingeliefert worden. Vater sagtaber, zwei Bleikugeln in seinem Hinterteil sind schuld. Er hat Stofffasern der Hose und Schmutz aus den Wunden entfernt, und nun müssen sie mit allen Mitteln eine Blutvergiftung bekämpfen.«
»Du liebe Zeit!« Asmus drehte den Brenner aus und zog Ose zum Sofa. »Ist es gefährlich?«
»Petersen schwebt in Lebensgefahr. Er phantasiert schon, und seine Frau ist bei ihm und bleibt auch über Nacht dort. Vater hat mich geschickt, dir das zu berichten, obwohl er das als Arzt nicht tun sollte, aber die Dinge liegen ja nun völlig anders, als du angenommen hattest. Er meint allerdings, dass du Petersen sowieso nicht mehr befragen kannst.«
»In einer solchen Situation führe ich Befragungen auch nicht mehr durch, Ose.«
»Na ja, Vater wusste nicht genau, wie wichtig es ist. Außerdem ist er der Meinung, dass die Blutvergiftung sich erstaunlich stürmisch entwickelt hat. So läuft das normalerweise nicht ab. Da muss fürchterlich viel oder giftiger Dreck in die Wunden gekommen sein.«
»Entendreck! Kot und Federn könnten an Petersens Hose gehaftet haben.«
»Tatsächlich? So sicher bist du? Werde ich an Vater weitergeben.«
»Hat Petersen eigentlich noch mitgeteilt, wer ihn angeschossen hat?«
»Nein, hat er nicht, sagt Vater. Seine Frau behauptet, er sei auf Jagd gewesen. Hast du noch ein zweites Ei? Ich könnte heute Nacht hierbleiben. Die Eltern wissen ja, wo ich bin.«
Asmus rückte gespielt beleidigt von Ose ab. »Ich bin im Besitz von vier Eiern und Speck«, verkündete er würdig. »Vom Hof von Lorns’ Eltern. Und zum Frühstück gibt es Brot und Fliederbeermarmelade. Wie du siehst, bin ich für Festmenüs gerüstet.«
»Bestens! Das ist ein Angebot, dem ich nicht widerstehen kann. Ich bleibe.«
Sorgen machte sich Asmus am nächsten Tag vor allem um Matthiesen. Er würde sich grämen, weil er es war, der geschossen hatte. Selbstverständlich war er nicht schuld. Es war schließlich Selbstverteidigung gewesen, wenn auch mit sehr ungleicher Verteilung der Chancen, was daran lag, dass er nur eine Schrotflinte gehabt und überdies wegen der Dunkelheit gar nichts gesehen hatte.
Jedoch nahm Matthiesen es mit Gleichmut. Schießen gehörte zum Dienst, wenn dieser es ausnahmsweise erforderte, auch wenn sie nur mit Degen ausgerüstet waren. Und schießen konnte jeder der Polizisten wie die meisten Sylter.
Asmus machte sich beruhigt auf den Weg nach Kampen, nachdem er Matthiesen instruiert hatte, dass er in der Klinik eine Bewachung für Petersen organisieren solle. Möglicherweise würde die Behandlung bei Petersen anschlagen, dann musste Asmus gerufen werden, um ihn zu befragen. Danach würde Matthiesen wieder seinen Wachdienst in Hörnum antreten.
Was Asmus vorhatte, war schon wieder illegal. Auch deswegen hatte er Matthiesen ins Krankenhaus geschickt, statt ihn nach Kampen zu Petersens Haus mitzunehmen. Aber da Petersen gerade nicht befragt werden konnte, wollte Asmus nach dem Entendreck suchen. Petersens Behauptung wollte er bestätigt oder widerlegt sehen.
Den Motor stellte er aus, bevor er an Petersens Haus angekommen war, und schob sein Motorrad bis zum Gartentor. Er musste die Nachbarschaft ja nicht unbedingt aufmerksam machen.
Die Türflügel und Fensterläden waren geschlossen. Frau Petersen war noch nicht zurückgekehrt. Asmus wanderteaufmerksam durch den Vorgarten, in dem Stachelbeer- und Johannisbeersträucher wuchsen. Der Boden war unberührt.
Im Teich am Rand des Obstgartens warf der Wind kleine Wellen auf, auf denen einzelne Federn tanzten. Junge Gänse hatte Frau Petersen noch nicht bekommen, denn der Garten und die benachbarte Weide waren leer. Hinter der Pforte waren Maulwurfshügel zwischen dem sprießenden Gras zu sehen.
Nirgends sah Asmus frisch aufgeworfene Erde, und im Misthaufen fand er nur Würmer, keine
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